Kommentar von Adrian Durtschi, UNICARE zur Lage der Pflegearbeit
Pflegearbeit weltweit: Der Kommentar - Geld und Wertschätzung nötig
Gewerkschaften müssen sich mit guten Arbeitsbedingungen in der Pflege auseinandersetzen und die Millionen noch nicht organisierten Pflegekräfte in die Gewerkschaften bringen – zum Wohle aller, meint Adrian Durtschi.
»Pflegen und dem Patienten den Hintern abwischen wird nicht so schwierig sein. Dafür wollen Sie Lohn?« – Solche abschätzigen Bemerkungen müssen professionelle Pflegekräfte leider ständig hören. Weltweit wächst die Nachfrage nach professioneller Pflege, Millionen von neuen Jobs werden entstehen, im globalen Norden und Süden. Wir werden älter, chronische Krankheitsbilder sind häufiger. Diese Entwicklung kostet Geld. Derzeit sind es mehrheitlich Frauen, die pflegen, und zwar oft unter schlechten Bedingungen oder unentgeltlich. Politiker_innen sehen Pflege oft nur als Kostenfaktor. Statt zu jammern, sollten sie sagen: Ja, es braucht mehr und gute Pflege. Studien und Publikationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) zeigen deutlich: Geld investiert in Pflege ist eine Investition in die Zukunft!
Statt zu investieren wird über den hausgemachten Fachkräftemangel gejammert. Wegen schlechter Arbeitsbedingungen, zunehmendem Stress und wenig Zeit für die zu pflegende Person verlassen viele Fachkräfte den Beruf. Die Lücke schließen bei uns Pflegende aus Osteuropa oder den Philippinen. Dort müssen wiederum Migrant_innen den Fachkräftemangel auffüllen. Dies ist keine Lösung.
Gleichzeitig machen immer mehr höchst profitable börsennotierte Unternehmen im Bereich der Pflege massiv Gewinn mit unserer Gesundheit. Wie der deutsche Gesundheitskonzern Fresenius, der in über 100 Ländern aktiv ist. Oder der französische Multi ORPEA, der mehrfach wegen ungenügender Pflegequalität oder seinem Umgang mit dem Personal in der Kritik war, zuletzt in Deutschland. Interessanter Fakt: Kein globaler Multi in diesem Bereich hat mit den Gewerkschaftsföderationen ein Globales Rahmenabkommen (GRA) unterzeichnet, das ihn verpflichtet, Menschenrechte wie die Rechte für Arbeitnehmende der Internationalen Arbeitsorganisation zu respektieren.
Wir als UNI Global Union wollen den Pflegearbeitenden mehr Gewicht verleihen. Wir unterstützen gewerkschaftliche Aufbauprojekte in Ländern wie Kolumbien, Ghana oder Polen. Wir bauen Gewerkschaftsallianzen auf, lobbyieren in internationalen Organisationen und führen globale Kampagnen zu GRA für multinationale Unternehmen. Doch das allein reicht nicht.
Es ist Zeit, dass die Gewerkschaftsbewegung den Pflegebereich priorisiert. Wo einst Industriearbeiter die Basis gewerkschaftlichen Handelns waren, müssen es neu die Pflegekräfte werden. Wir Gewerkschaften müssen uns mit bezahlter und unbezahlter Pflegearbeit auseinandersetzen. Gemeinsam müssen wir die Millionen noch nicht organisierten Pflegekräfte in die Gewerkschaften bringen. Wir müssen für solidarisch finanzierte Sozialversicherungen kämpfen, um gute Pflege und faire Arbeitsbedingungen zu garantieren. Wir müssen allen Pflegekräften ein Gesicht und eine Stimme geben und gemeinsam die Arbeitsbedingungen und Pflegequalität verbessern. So garantieren wir, dass die Pflege weltweit den Wert und die Wertschätzung erhält, welche sie verdient und benötigt. Zum Wohle von uns allen.
Adrian Durtschi, 34, leitet UNICARE Global Union. UNICARE besteht aus 85 Gewerkschaften mit fast 2 Millionen Mitgliedern aus dem privaten Gesundheits- und Sozialbereich sowie den Sozialversicherungen.