
IGB: Kräfteverschiebung beim 4. Weltkongress
Kräfteverschiebung beim 4. Weltkongress des IGB
Auf dem 4. Weltkongress des IGB verteidigt Generalsekretärin Sharan Burrow ihr Amt knapp. Beim Programm ist ein Schwenk in Richtung mehr interne Transparenz und zu einer stärkeren Rolle der Regionalorganisationen ablesbar.
Am Ende versuchte ein engagierter Guy Ryder die Teilnehmer_innen in Kopenhagen wieder auf die gemeinsame Aufgabe einzuschwören: „Ich bin sicher, der IGB wird aus diesem Kongress vereinigt und stärker denn je hervorgehen“, sagte der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation zum Abschluss des 4. Weltkongresses des Internationalen Gewerkschaftsbundes. 1.052 Delegierte von 250 Mitgliedsorganisationen aus 131 Ländern hatten vom 2. bis 7.Dezember 2018 in Kopenhagen um Ziele und Strategien der Gewerkschaftsbewegung, aber auch über die innere Struktur ihres globalen Dachverbands gerungen.
Vieles davon fand hinter den Kulissen statt, denn der Raum zur plenaren Diskussion war begrenzt und eng getaktet. „Man konnte den Eindruck haben, dass sich die Kongressplanung an den Methoden des Komintern (Kommunistische Internationale – die Red) orientiert hat“, sagt Andreas Botsch, Leiter des Abteilung Internationales beim DGB und als Delegierter in Kopenhagen dabei. Das Ergebnis: Nur an vier Vormittagen durfte diskutiert werden – zu streng eingegrenzten Themen.
Entgegen ihrer Ansage beim 3. Weltkongress in Berlin stellte sich die umstrittene Generalsekretärin Sharan Burrow, die den IGB seit seiner Gründung im Jahr 2006 mitführt, zur Wiederwahl und setzte damit ein Signal für ein Weiterso. Eine Reihe nationaler Verbünde wie der DGB, Gewerkschaftsbünde aus Süd- und Mitteleuropa, die kanadische Föderation CLC, die lateinamerikanischen Verbände, weite Teile des Asien-Pazifik-Raums und mehr als die Hälfte der afrikanischen Mitgliedsorganisationen drangen aber auf einen Wechsel. „Die Regeln einhalten, aber die Praktiken ändern“, war der Titel ihrer Erklärung. Sie unterstützten Susanne Camusso vom italienischen CGIL.
Kurz gefasst fußte Burrows Konzept auf viel Autonomie und zentraler Macht beim IGB, der in seinen Führungsgremien selbst entscheidet, welche Aufgaben er in der globalen Gewerkschaftslandschaft übernehmen will und wo er Chancen für Kampagnen sieht. Camusso repräsentierte dagegen die Forderung nach einer besseren Zusammenarbeit innerhalb der Bewegung, also zwischen dem IGB-Hauptbüro, seinen Regionen, den globalen Gewerkschaftsföderationen wie IndustriAll und den nationalen Dachverbänden. Nach einem harten Kampf gelang es Burrow, ihr Amt knapp mit 52 zu 48 Prozent der Stimmen zu verteidigen, in absoluten Zahlen waren das rund 2 Millionen Stimmen Unterschied. Ausschlaggebend waren laut Botsch die rund 10 Millionen russischen Stimmen, die an Burrow gingen.
Die Kritiker_innen zeigten sich nach der Auszählung trotzdem nicht enttäuscht. Sie hatten kaum mehr erwarten können. Die Satzung des IGB sieht gar keine Gegenkandidatur vor. Das hatte Burrow die deutlich besseren Möglichkeiten für ihren Wahlkampf gegeben. Als amtierende Generalsekretärin standen ihr mit dem Büro auch die Adresslisten, die Kontrolle über die zu verteilenden Gelder und nicht zuletzt die Kongressorganisation zur Verfügung. Camussos Kandidatur dagegen war dem Vorstand offiziell erst im November, vielen Delegierten sogar erst auf dem Kongress bekannt geworden.
„Wir sind ganz zufrieden“, sagte Botsch und verwies darauf, dass vier Jahre zuvor noch 87 Prozent der Delegierten für Burrow gewesen waren. Viel entscheidender sei, dass Burrow zwar als Person gewählt worden sei, es aber trotzdem wichtige Schritte in Richtung Wandel gebe: Das Plenum verabschiedete eine von den Camusso-Unterstützer_innen eingebrachte „Erklärung zur Zukunft des IGB: Die Regeln einhalten – die Praktiken ändern“ als Resolution zur Umsetzung an den General Council. Die Inhalte entsprechen dem Programm, mit dem Camusso angetreten war: mehr interne Demokratie und Transparenz, eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen IGB-, anderer globaler und nationaler Verbünde, mehr Einfluss für die Regionen und Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Politisch war der Nahostkonflikt der größte Streitpunkt. Die vom Vorstand vorbereitete Kongress-Erklärung enthielt einen Passus, der eine Zweistaatenlösung mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas forderte und als indirekter Boykottaufruf gegen Israel verstanden werden konnte. Als Delegierter des DGB appellierte Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell an die Kongressteilnehmer_innen, die bestehende Kooperationsarbeit des israelischen Gewerkschaftsbundes Histradut und der palästinischen Föderation PGFTU „nicht durch eine Politisierung und Polarisierung zu gefährden“. Die Atmosphäre heizte sich – wie immer bei diesem Thema – schnell auf. Die Formulierung wurde mit Gegenstimme des DGB letztlich beibehalten.
Beim Gros der gewerkschaftlich relevanten Fragen waren sich die Delegierten beider Seiten dann aber wieder einig. Soweit damit die Regeln der globalen Wirtschaft gemeint waren, folgten sie dem Kongressmotto „Building Workers’ Power. Change the Rules“. Sie verpflichteten sich bis zum nächsten Kongress 2022 vier großen Zielen: einem Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten im Rahmen der Vereinten Nationen, dem gerechten Übergang zu nachhaltigen Volkswirtschaften, um die globale Erwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen, den Trend zum Niedriglohn umzukehren sowie Rassismus und Diskriminierung in jeder Form zu bekämpfen. Als besonders dringlich schätzten die Delegierten zudem die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Kolumbien und der Arbeitnehmer_innenrechte in Iran und Kasachstan ein.
Beate Willms
Die aktuellen Amtsinhaber_innen:
Präsident: Ayuba Wabba, IGB-Afrika
Vize: Karl-Peter Thorwaldsson, LO-Schweden und Cathy Feingold, AFL-CIO, USA;
Generalsekretärin: Sharan Burrow, IGB;
Stellvertreter_innen: Mamadou Diallo, Owen Tudor, Victor Báez Mosqueira