Digitale Plattformen neu gestalten: Digitalisierung von Menschen für Menschen
Vereinfachte und gekürzte Fassung von
Plattformökonomie – aber nur von Menschen für Menschen
Fairuz Mullagee ist Wissenschaftlerin an der Western Cape Universität in Kapstadt, Südafrika. Sie ist als Projektmanagerin am Aufbau einer genossenschaftlich organisierten digitalen Plattform für Hausangestellte in Südafrika beteiligt.
Südafrika: ein Land voller sozialer Ungleichheit
Erst seit 1994 ist in Südafrika die Apartheid, also die vom Staat festgelegte und ausgeübte Rassentrennung, nicht mehr Regierungspolitik. Bis dahin waren People of Color wesentliche Grundrechte entzogen und die Apartheid wirkt bis heute nach. Sie zeigt sich auch in einer starken sozialen Ungleichheit. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen zehn Mal so viel wie die ärmeren 60 Prozent.
In Südafrika ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Die Chancen auf einen Arbeitsplatz hängen nicht nur von der Bildung ab, sondern auch von der Hautfarbe. Frauen sind ebenfalls besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Coronakrise hat das Problem noch vergrößert. Von den vielen Frauen, die als Hausangestellte arbeiteten, hat jede vierte ihre Arbeit verloren.
Digitale Plattformen: Verstärkung der Ungleichheit
In Südafrika stieg die digitale Plattform „Uber“ 2014 in die Personenbeförderung ein. Das Modell erschien zunächst sehr attraktiv. Vor allem Menschen, die bisher keine feste Beschäftigung hatten, meldeten sich als Fahrer an. Die Kunden waren von dem neuen Angebot begeistert: Der Fahrdienst war schnell, günstig und unkompliziert zu buchen. Für die Fahrer stellte sich aber schnell heraus: Die Arbeit über eine digitale Plattform ist oft mit Ausbeutung verbunden. So ist es auch bei Uber: Die Fahrpreise sind so niedrig, dass die Fahrer nicht genug Geld pro Fahrt verdienen.
Arbeitnehmer oder nicht?
Uber kann Fahrer von der Plattform nehmen, sie also „abschalten“. Das ist gleichbedeutend mit einer Kündigung, denn die Fahrer können nicht mehr auf die Aufträge zugreifen.
Die Fahrer legten bei einer Schlichtungsstelle Einspruch gegen die Abschaltungen ein. Diese Schlichtungsstelle ist einem Arbeitsgericht vorgeschaltet. So versucht man, eine Einigung zu erreichen, bevor es zu einem Prozess vor dem Arbeitsgericht kommt.
Uber allerdings wehrt sich gegen solch ein Schlichtungsverfahren. Uber sieht die Fahrer nicht als abhängig Beschäftigte. Für Uber sind die Fahrer unabhängige Selbstständige, die von Uber Aufträge bekommen. Deshalb sei die Schlichtungsstelle nicht für die Uber-Fahrer zuständig. Über diesen Punkt wird seit vielen Jahren gestritten.
Jede Menge digitale Plattformen
Es blieb nicht bei Uber. Laut einem Bericht gab es in Südafrika 2019 schon 90 digitale Plattformen. Die meisten Plattformen sind Fahrdienste und Lieferdienste. Dazu kommen auch Plattformen im Bereich Haushalt und Reinigung.
Alle Plattformen arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Die Plattformarbeiter sind keine Arbeitnehmer, sondern Auftragnehmer. Der Plattformbetreiber bestimmt den Preis und die Qualität der erbrachten Leistung. Für die Kosten muss der Plattformarbeiter selbst aufkommen. Das bedeutet: Die Plattformarbeiter steuern ihre Zeit, ihre Arbeitskraft, aber auch ihr Handy, ihr Auto oder ihr Fahrrad bei. Ist das Fahrrad kaputt? Braucht jemand für einen Auftrag länger als geplant? Diese Probleme bleiben bei den Plattformarbeitern hängen. Sie bekommen keine Unterstützung durch die Betreiber der Plattform.
Neuer Weg: eine genossenschaftliche Plattform
Über die digitalen Plattformen sind vor allem Menschen beschäftigt, die schlecht ausgebildet sind. Durch die Arbeit über die Plattform sind diese Menschen zudem allein bei der Arbeit und auf sich selbst gestellt.
Hier setzt ein Projekt von der Forschungsgruppe Sozialrecht der Western Cape Universität an. Das Projekt wird vom DGB Bildungswerk unterstützt.
Die Forschungsgruppe entwickelt ein neuartiges Modell für eine Plattform für Hausangestellte. Die neue Plattform ist genossenschaftlich organisiert. Das bedeutet: Es ist eine Plattform von Hausangestellten für Hausangestellte. Die Plattformbeschäftigten organisieren ihre Arbeit über die Plattform selbst. Die Ziele sind gute Bezahlung, ein gesichertes Einkommen, Sozialleistungen, planbare Arbeit, Einhaltung von Schutzrechten und Schutz vor Überwachung.
Die Daten auf der Plattform sind für alle offen und nachvollziehbar. Die Beschäftigten sollen die Möglichkeit der Weiterbildung haben. Dazu gehören Fortbildung im Umgang mit digitalen Medien, aber auch zur nachhaltigen Gestaltung der Arbeit und Verwendung von nachhaltigen Arbeitsmitteln.
Genossenschaftlich organisierte Arbeitsplattformen sind eine mögliche Antwort auf ausbeuterische Plattformen wie zum Beispiel Uber. Durch genossenschaftlich organisierte
Arbeit erhalten die Beschäftigten nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern auch Anerkennung und Wertschätzung.
Genossenschaftlich organisierte Plattformen sind ein vielversprechender Ansatz, der weiterverfolgt und weiterentwickelt werden soll.
Der Originalartikel erschien in der Broschüre, Transformation weltweit – für Gute Arbeit im digitalen und ökologischen Wandel.
Text in einfacher Sprache: Spaß am Lesen Verlag, Agentur Klar & Deutlich, https://klarunddeutlich.de/
Mehr Informationen auf www.gute-arbeit-weltweit.de