Französisches Geld für die Zerstörung?
Ein Text unserer Partnerorganisation Repórter Brasil.
02.12.2022 I Mehrere Organisationen wollen die französische Bank BNP Paribas zur Verantwortung ziehen. Sie soll in Brasilien in Fleischkonzerne investieren und damit an der Abholzung von Wäldern, Attacken auf indigenen Gemeinden und Sklavenarbeit beteiligt sein.
"Die Banken können nicht länger so tun, als wüssten sie nicht, dass ihre Finanzierungen und Investitionen zur Entwaldung und zum Klimachaos beitragen". Das sagte Jérémie Suissa, Direktor der französischen Organisation Notre Affaire à Tous. Mit einer Initiative will sie eine der größten Banken der Welt, die französische Bank BNP Paribas, für ihre Beteiligung an der Abholzung des Amazonasgebiets und für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen.
Die BNP Paribas wurde angezeigt, weil sie den brasilianischen Fleischriesen Marfrig finanziell unterstützt haben soll. Marfrig ist einer der weltweit führenden Fleischproduzenten, der in Fälle von Sklavenarbeit und Umweltzerstörung verwickelt ist, unter anderem in indigenen Gebieten. Die von der französischen NGO Notre Affaire à Tous und der Landpastorale CPT geführten Klage gegen die Bank stützt sich auf das französische Handelsgesetzbuch. Dieses sieht vor, dass Unternehmen bei Verstößen gegen soziale und ökologischen Belange zur Rechenschaft gezogen werden können.
"Die Initiative ist wichtig, um den Zusammenhang zwischen Verbrechen auf dem Land und wirtschaftlichen und finanziellen Akteuren aufzuzeigen", sagt Xavier Plassat, Koordinator der Landpastorale gegen Sklavenarbeit. "Die BNP Paribas stellt Mittel zur Verfügung, damit die Produktionskette funktioniert und verschließt die Augen vor Verstößen. Damit ist sie nach französischem Recht mitverantwortlich".
Schwere Vorwürfe
Laut der NGO, die von der US-amerikanischen Organisation Rainforest Action Network unterstützt wird, sei der brasilianische Fleischgigant Marfrig in zahlreiche Verstöße verwickelt, darunter: Abholzung von Wäldern, illegale Besetzung indigener Gebiete und unmenschliche Arbeitsbedingungen auf Rinderfarmen, die mit Sklavenarbeit vergleichbar sind.
Die BNP Paribas ist nach eigenen Angaben "die einzige internationale Bank, die über eine interne Politik für den Agrarsektor verfügt, die sich strikt an der Rückverfolgbarkeit der gesamten Produktions- und Lieferkette orientiert". Dazu gehöre auch die Bedingung, dass Rindfleischproduzenten und Fleischlagerhäuser, die in den Amazonas- und Cerrado-Regionen tätig sind, "eine Strategie verfolgen, um in ihrer gesamten Lieferkette die Entwaldung vollständig zurückzudrängen". Außerdem hat die Bank das Jahr 2025 als Datum für die vollständige Rückverfolgbarkeit der Lieferketten von Rindfleisch und Sojabohnen festgelegt.
Marfrig teilte mit, dass "alle Einkäufe erst getätigt werden, nachdem überprüft wurde, dass die jeweiligen Betriebe die Einkaufskriterien zu 100 Prozent erfüllen. So wird verhindert, dass Rohstoffe von Betrieben erworben werden, die in Abholzungsregionen, Naturschutzgebieten, indigenen Gebieten liegen oder Sklavenarbeit einsetzen". Der Fleischbetrieb fügte hinzu, dass alle in diesem Bericht genannten Fälle zuvor untersucht worden seien, was zeige, dass es keine Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Das Unternehmen betonte außerdem, dass die Prüfberichte über seine Einkäufe "öffentlich und auf der Website von Marfrig verfügbar sind".
"Ich sah unser Land brennen"
Die europäische Finanzierung von Fleischkonzernen führt in Brasilien nicht nur zur Vernichtung des Waldes, sondern auch zur Zerstörung der Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung. Zwei Recherchen von Repórter Brasil zeigen: Rinder, die illegal in einem abgeholzten Gebiet innerhalb des Gebietes der Apyterewa-Indigenen in São Félix do Xingu im nördlichen Bundesstaat Pará aufgezogen wurden, kamen in die Produktionskette von Marfrig und anderen großen Schlachtbetrieben. Zur gleichen Zeit, in der sie in indigenen Gebieten gezüchtete Rinder kauften, erhielten die Betriebe Investitionen von BNP Paribas, der größten Bank Frankreichs.
"Ich sah unser Land brennen", sagt Francisco*, einer der 729 Indigenen, die in Apyterewa leben. Dieses Gebiet des Volkes der Parakanã ist das am stärksten von Abholzung betroffene indigene Gebiet des Landes. "Es ist sehr traurig. Wir haben dort gejagt, und als wir in den Wald gingen, um zu jagen und Kastanien zu sammeln, sahen wir die gefällten Bäume. Und ein Stück weiter brannte es.“
Der durch das Feuer verursachte Rauch hinderte Francisco und seine Verwandten daran, in den Wald vorzudringen, eine Erinnerung blieb ihm jedoch im Gedächtnis: "Die Bienen waren tot und ihre Bienenstöcke, aus denen wir den Honig gewinnen, lagen verbrannt auf dem Boden".
Die Parakanã stehen rund 3.000 nicht-indigenen Familien gegenüber, die sich mit Unterstützung der Behörden der Viehzucht verschrieben haben. "Zuerst fällen sie die Bäume, machen einen großen Schnitt und legen dann Feuer, um sie in Weideland zu verwandeln. Sie stellen etwa 15 Tagelöhner an, die die Bäume mit Kettensägen fällen", sagt Francisco. Er sei besorgt, weil ein Gebiet von "etwa 50 Hektar in der Nähe des Dorfes Kaeté vor kurzem von Eindringlingen belagert wurde".
Brandbeschleuniger Bolsonaro
Laut Plassat von der Landpastorale "hat die Regierung von Jair Bolsonaro jegliche Prozesse der rechtlichen Anerkennung traditioneller Gebiete unterbrochen, so dass Viehzüchter völlig ungestraft in diese Gebiete eindringen, auch in die von indigenen Völkern".
Die Sozial- und Umweltverstöße im indigenen Gebiet Apyterewa sind jedoch kein Einzelfall in der Geschichte von Marfrig. Laut einer von Repórter Brasil im Jahr 2020 gestellten Anzeige landeten auch in Nova Xavantina im Bundesstaat Mato Grosso hunderte Ochsen, die in Betrieben mit illegaler Abholzung und Sklavenarbeit aufgezogen wurden, im Schlachthof von Marfrig. Ein weiterer Fall, in den Marfrig verwickelt war, ereignete sich zwischen 2018 und 2019. Das Unternehmen kaufte Rinder von Farmen, die einem der größten Abholzungsunternehmen im Amazonasgebiet gehörten. Dieses war ebenfalls der Sklavenarbeit für schuldig befunden worden.
Die Fälle ereigneten sich in den Marfrig-Fleischverarbeitungsbetrieben in Nova Xavantina und Várzea Grande, beide liegen in Mato Grosso, der am zweitstärksten entwaldete Bundesstaat im Amazonasgebiet. Seit 1988 wurden dort mehr als 150.000 Quadratkilometer Regenwald zerstört - mehr als die Fläche Griechenlands. Das Unternehmen verfügt über zwei weitere Niederlassungen in Mato Grosso, die eine Verpflichtung unterzeichnet haben, keine Rinder von illegal abgeholzten Ländereien, aus Schutzgebieten oder Betrieben mit Sklavenarbeit zu kaufen. Das Werk von Marfrig in Várzea Grande wurde 2019 eingeweiht, dem Jahr der millionenschweren Investition der französischen Bank BNP.
Mehr als 120.000 Hektar Wald
Darüber hinaus ergab eine Untersuchung des Climate Crimes Analysis Centre (CCCA) in zwei von Marfrig betriebenen Schlachthöfen, die das Unternehmen mit Fleisch beliefern, im Zeitraum von 2009 bis 2020 für die illegale Abholzung von mehr als 120.000 Hektar Wald im Amazonaswald und in der Cerrado-Savanne verantwortlich sind.
Die Initiative der NGOs ist die erste an eine Bank gerichtete Anklage auf der Grundlage des französischen Gesetzes über die Sorgfaltspflicht. 2017 wurde das Handelsgesetzbuch geändert. Multinationale Unternehmen, die in Frankreich tätig sind, sind nun dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Gewährleistung der sogenannten Sorgfaltspflicht zu ergreifen. Dieser Begriff bezieht sich auf die Verantwortung, die ein Unternehmen haben muss, um Risiken zu erkennen und schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte, die Gesundheit und Sicherheit von Menschen und die Umwelt zu verhindern – eine Haltung, die auch die Aktivitäten von Unternehmen und seiner Zulieferer im In- und Ausland umfassen muss.
Die Initiative ist der erste Schritt in einem Verfahren, das dazu führen könnte, dass sich das beklagte Unternehmen – wie in diesem Fall die BNP Paribas – vor der französischen Justiz verantworten müssen.
Auf dem Papier behauptet BNP Paribas, den Kampf gegen die Entwaldung im Amazonasgebiet durch die Einführung neuer Kriterien für Investitionen zu stärken. In ihrem Finanzbericht für 2021 heißt es, dass sie ihre Kunden, die Fleisch- und Sojaproduzenten, "ermutigt", eine Nullabholzungspolitik zu verfolgen. Aber erst im letzten Jahr hat die Bank weiterhin massive Investitionen in fleischproduzierende Unternehmen getätigt – einen Sektor, der bei der Abholzung von Wäldern und den Treibhausgasemissionen führend ist.
* Name des Interviewten zum Schutz verändert
Von Gil Alessi und Isabel Harari, Repórter Brasil
Übersetzung/Redaktion November 2022: Niklas Franzen
Es handelt sich um eine kontextualisierte Übersetzung mit zusätzlichen, erklärenden Informationen. Eingeschobene Absätze sind von der Redaktion erstellt. Der Originaltext erschien am 17.10.2022.
Übersetzung und Redaktion wurden gefördert von Engagement Global mit Mitteln des