Gewerkschaftsfreiheit

Basis für gute Arbeit
Das Recht, Arbeitnehmerorganisationen und unabhängige Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten, ist die Grundlage dafür, gute Arbeit weltweit durchzusetzen. Niemand darf gezwungen werden, sich einer arbeitgebernahen oder staatlichen Gewerkschaft anzuschließen.
Unabhängige Gewerkschaften sind einzig den Interessen der Beschäftigten verpflichtet und bieten deshalb den besten Schutz vor schlechter Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen, willkürlicher Kündigung und ähnlichem.
Internationale Grundlagen
Vereinigungsfreiheit an sich ist ein Grundrecht. Schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (UNO) von 1948 heißt es: "Jeder Mensch hat das Recht auf [...] Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken." Und weiter: "Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören."
Für die Arbeitswelt regeln die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dieses Recht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vertritt bei der ILO mit anderen Gewerkschaftsdachverbänden die Interessen der Arbeitnehmer_innen und wirkt an der Gestaltung der internationalen Standards mit. Dass Beschäftigte sich weltweit in Gewerkschaften organisieren und so auf Augenhöhe mit Arbeitgeber_innen verhandeln können, ist in zwei wichtigen ILO-Übereinkommen festgehalten:
Das Übereinkommen 87 von 1948 gehörte zu den ersten ILO-Konventionen und ist Teil der ILO-Kernarbeitsnormen. Es regelt die "Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes".
Das Übereinkommen 98 über die „Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen“ von 1949 vervollständigt und präzisiert diese Grundlagen.
Beide Übereinkommen zusammen bedeuten, dass Gewerkschaften das Recht haben, Verhandlungen mit Arbeitgeber_innen zu führen und Tarifverträge und Kollektivvereinbarungen für die Beschäftigten abzuschließen. Sie garantieren ihnen, keine Repressionen des Staates fürchten zu müssen. Und sie sind die Basis dafür, dass Gewerkschaften getroffene Vereinbarungen auch kontrollieren können – und gegebenenfalls durch Streiks oder auf gerichtlichem Weg durchsetzen, dass sie eingehalten werden.
Allerdings hatten auch 2018 noch 32 UN-Mitgliedsstaaten das Übereinkommen 87 und 21 Staaten das Übereinkommen 98 nicht ratifiziert, darunter so bevölkerungsreiche Länder wie China, Indien oder die USA. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung weltweit kann sich deshalb nicht auf den Schutz der Übereinkommen berufen.
Das Recht zu streiken
Vereinigungsfreiheit ist aus gewerkschaftlicher Sicht nutzlos, wenn sie nicht auch mit (wirtschaftlichem Druck) durchgesetzt werden kann. Deshalb ist sie mit dem Streikrecht als Mittel dazu flankiert, wie unter anderem der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) in seiner Stellungnahme zum Übereinkommen 98 und dem Streikrecht an den zuständigen ILO-Ausschuss deutlich macht.
Das war lange unbestritten. Seit den 1950er Jahren befassen sich andere ILO-Konventionen etwa mit den Folgen von Arbeitsniederlegungen – was das Recht dazu voraussetzt. Verschiedene ILO-Ausschüsse haben das Streikrecht explizit aus dem Übereinkommen 87 abgeleitet. Die Arbeitgeber_innen haben sich dazu bis in die 1990er Jahre neutral verhalten. Dann begannen sie, die Ausgestaltung des Streikrechts anzuzweifeln, seit 2012 bestreiten sie, dass es überhaupt aus dem Übereinkommen abzuleiten ist.
Unserer Ansicht nach bedrohen die Angriffe der Arbeitgeber_innen längst nicht nur das Streikrecht, sondern auch die Funktionsfähigkeit der ILO. Deshalb hat der DGB 2016 auf einer Konferenz die „Fundierung des Streikrechts im ILO-Normensystem“ diskutiert und noch einmal festgestellt.
Verletzung von Gewerkschaftsrechten
Der IGB setzt sich nicht nur wie andere internationale und nationale Gewerkschaftsverbände dafür ein, dass Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen und das Streikrecht weltweit anerkannt und eingehalten werden. Er erstellt auch jedes Jahr einen Bericht zur Verletzung von Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten weltweit.
Dieser „Global Rights Index“ belegt regelmäßig, dass diese Rechte in vielen Staaten auf allen Kontinenten nicht oder nicht vollständig eingehalten, dass Gewerkschaften in ihrer Arbeit behindert, Gewerkschafter_innen bedroht oder sogar getötet werden.
Er enthält auch eine Liste der „zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen“ (https://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/ituc-global-rights-index-infographic2018-10worst-de-2.pdf). An der Verletzung von Arbeitnehmerrechten und der Zerschlagung und Unterdrückung von Gewerkschaften beteiligt sind sowohl Arbeitgeber_innen als auch Regierungen, oft arbeiten beide auch zusammen.
Der aktuelle und die bisherigen Berichte über die Verletzung von Arbeitnehmerrechten sind hier abrufbar: IGB Global Rights Index 2018
Umsetzung und Sicherung von Gewerkschaftsfreiheit und Gewerkschaftsrechten
Internationale Gewerkschaftsverbände wie der IGB und globale Gewerkschaftsverbände wie IndustriALL Global Union, die Bildungsinternationale (BI/EI), die Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD/PSI), die Föderation der privaten Dienstleister UNI Global Union, die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BWI), die Internationale Gewerkschaft der Nahrungsmittelarbeiter (IUF), die Internationale Journalisten-Föderation (IJF) und die Internationale Allianz für Kunst und Unterhaltung (IAEA) untersuchen und dokumentieren die Umsetzung in nationale Arbeitsgesetzgebung und Praxis.
Sie organisieren internationale gewerkschaftliche Solidaritätsaktionen zur Unterstützung derjenigen, deren Rechte verletzt werden, machen Rechtsverstöße publik und starten gegebenenfalls rechtliche Schritte über die internationalen Rechtsverfahren der ILO sowie der Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen.
Unternehmen in die Pflicht nehmen
International tätige Unternehmen tragen Mitverantwortung dafür, die Vereinigungsrechte der Beschäftigten durchzusetzen. An ihren Produktionsstandorten können sie selbst dafür sorgen, dass diese Rechte eingehalten werden, Geschäftsbeziehungen zu Ländern, in denen das nicht möglich ist, können sie abbrechen. In Deutschland hat die Bundesregierung 2018 den „Berliner CSR-Konsens zur Unternehmensverantwortung in Liefer- und Wertschöpfungsketten“ beschlossen.
Wie Gewerkschaften im Bündnis mit Politik und anderen Organisationen Unternehmen dazu bringen können, sich dieser Verantwortung zu stellen, zeigen Initiativen und Projekte etwa zur Unternehmensverantwortung in Wertschöpfungsketten.
Unterstützung durch Beschäftigte und Verbraucher_innen im globalen Norden
Auch Beschäftigte und Verbraucher_innen können für Gewerkschaftsrechte weltweit aktiv werden. Sie können in ihren eigenen Unternehmen Konzepte zur Umsetzung von Unternehmensverantwortung mit erarbeiten und damit Standards setzen. Und sie können dienstlich und privat Produkte von Unternehmen meiden, die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte verletzen.
Veröffentlicht 12 I 2019