
Mein erstes Jahr im Betriebsrat
Interview mit Rosi B.
Betriebsratsarbeit? Für Rosi eine Herzenssache. In diesem Interview erzählt sie von ihrem ersten Jahr als Betriebsrätin: Welche Herausforderungen sie erlebt hat, welche Erfolge sie feiern konnte – und welche Tipps für neue Betriebsrät*innen hilfreich sein können.
Rosi bringt reichlich Erfahrung mit. Viele Jahre war sie in einem großen Betrieb der Metall- und Elektroindustrie aktiv – ein Unternehmen, das durch Umstrukturierungen, Käufe und Verkäufe sowie Personalabbau stark verändert wurde.
Bevor sie in den Betriebsrat gewählt wurde, war Rosi bereits als Ersatzmitglied aktiv – sowohl im Betriebsrat als auch in der Schwerbehindertenvertretung. Auch als gewerkschaftliche Vertrauensperson hat sie sich lange engagiert. Kein Wunder also, dass ihr der Einstieg in die aktive Betriebsratsarbeit noch heute lebhaft in Erinnerung ist.

Frage: Rosi, warum hast du dich als Betriebsrätin wählen lassen?
Ich wollte mich für mich selbst und meine Kolleg*innen einsetzen. Wenn wir dies nicht machen, macht es niemand anders. Um Dinge zu erreichen, muss man sich zu Wort melden und sich einmischen. Nur zu sagen, dass dies oder jenes nicht passt, ist zu wenig und nützt vor allen Dingen nicht viel. Wichtig ist, dass auch die Initiative ergriffen wird. Wenn ich etwas gestalten und verändern will, muss ich mich auch einbringen.
Du konntest ja als Ersatzmitglied des Betriebsrates schon mal in den Betriebsrat reinschnuppern. Dann kam das Jahr, in dem du dann ordentliches Betriebsratsmitglied geworden bist. Wie hast du dein erstes Jahr als Betriebsrätin erlebt? Was waren Höhen, was waren Tiefen?
Erstmal musste ich meinen Platz in unserem Gremium finden. Dies muss jedes neue Betriebsratsmitglied tun, egal wie groß oder klein ein Gremium ist. Hier gab es verschiedene Personen, die schon ihre Positionen, Kontakte oder Seilschaften hatten. Ich musste dann genau schauen, welche Gruppen zusammengehören und wie diese ticken. Schwierig war vor allem, dass ich nicht wusste, was auf mich zukommt und wie das Ganze läuft.
Gut war, dass ich immer eine Betriebsratskollegin an meiner Seite hatte, die ich fragen konnte. Dabei musste ich mir keine Gedanken darüber machen, ob das jetzt eine blöde Frage ist oder nicht. Alle Fragen wurden beantwortet. Ich bekam hier auch viele Erklärungen. Da ich so eine gute Unterstützung hatte, habe ich dies auch neuen Mitgliedern im Betriebsrat angeboten.
Es ist sehr viel neue Materie. Es wird über Paragrafen und in Abkürzungen gesprochen. Ich hatte hier keine Ahnung. Ich kam aus der Technik und der Disposition. Die Betriebsratsarbeit war etwas völlig Neues. Ich habe dann auch möglichst schnell ein Grundseminar zum Betriebsverfassungsgesetz besucht, um der Betriebsratsarbeit folgen zu können.
Was waren besondere Herausforderungen, auf die du reagieren musstest?
Zu dem Zeitpunkt hatten wir einiges an Herausforderungen. Wir mussten auf Personalabbau, also Kündigungen reagieren. Hier musste ich bei den Vorbereitungen helfen. Es war schwierig, zu diesem Thema Entscheidungen zu treffen, da es ja um Existenzen ging. Besonders schwierig war es, den Überblick zu behalten und die Zusammenhänge zu sehen. Dann hatten wir auch eine Einigungsstelle, die vorbereitet werden musste. Alles Neuland.
Eine weitere Herausforderung zu Beginn meiner Amtszeit war die Entscheidung, in welchen Ausschuss ich gehen soll. Auch die Ausschussarbeit war völliges Neuland.
Schwierig war auch die Arbeit am Arbeitsplatz und die Betriebsratsarbeit unter einen Hut zu bekommen. Ich musste am Anfang viele Diskussionen mit meinen Kolleg*innen und Vorgesetzten führen. Da hieß es natürlich schnell: „Jetzt ist die schon wieder weg.“ oder „Die trinken doch nur Kaffee.“ Ich habe immer versucht, klar zu sagen, wo ich bin und was ich tue. Nämlich nicht die ganze Zeit Kaffee trinken.
Durch Transparenz und kontinuierliche Kommunikation habe ich hier versucht, meine Arbeitsbedingungen zu koordinieren. Gegenüber den Vorgesetzten musste ich hier auch schon mal Rückgrat beweisen. Trotzdem war dies ein Spagat. Ich habe meine Arbeit gern gemacht und wusste, dass ich die Kolleg*innen oft mit der Arbeit in Stich lasse, also sie mussten meine Arbeit mit machen. In dieser Situation war ich gefühlt auch alleingelassen. Der Vorsitzende hätte sich zwar eingesetzt, trotzdem war das Gefühl da, allein zu sein und zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Durchsetzungsfähigkeit war hier schon gefragt. Hier ist es ggf. ein Unterschied, mit wie vielen Jahren das Betriebsratsamt übernommen wird. Ich war 25 Jahre.
Welche Erfolgserlebnisse hattest du?
Ich bin bei der Wahl weiter nach vorn gewählt worden. Wir konnten für einige Beschäftigte Arbeitsplätze für einen gewissen Zeitraum sichern. Uns ist es gelungen, Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Die Ergebnisse habe ich nie allein erreicht, sondern diese Ergebnisse haben wir immer gemeinschaftlich erreicht.
Ein weiteres Highlight war damals, dass wir die Frauen besser im Betriebsrat positioniert haben.

Hast du dir zu Beginn deiner Amtszeit Ziele vorgenommen? Wenn ja, welche?
Nein. Ich bin da erstmal ohne Ziele rein.
Wie hast du eine gute Balance zwischen deiner Arbeit und deinem Amt als Betriebsrätin gefunden?
Besonders wichtig sind wie schon gesagt, das Gespräch und die Transparenz. Von den Vorgesetzten darf man sich nicht einschüchtern lassen. Spätere Vorgesetzte haben dann auch realisiert, dass sie von der Betriebsratsarbeit auch etwas haben. Dann ging es auch mit den Vorgesetzten besser.
Welche Aufgaben haben dich überrascht? Was war anders, als du es dir vorgestellt hast?
Ich war sehr überrascht, dass es so viel Routinearbeiten gibt, die gemacht werden müssen. Dann überraschte es mich, dass der Betriebsrat trotz des Betriebsverfassungsgesetzes bei wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens sehr wenig rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten.
Sehr viel musste über die politische Schiene geregelt werden. Dies war den Beschäftigten in den Situationen mit angedrohtem Personalabbau schwer zu vermitteln. Sie dachten immer, dass der Betriebsrat hier rechtlich mehr machen kann. Es gibt zwar gewisse Stellschrauben, mit dem man die Arbeitgebenden piesacken kann.
Ganz am Ende war es aber immer besser eine konstruktive gemeinsame Lösung in diesen Fällen zu finden. In die direkte Konfrontation sind wir nur gegangen, wenn uns nichts anderes übrigblieb. Dabei ist es natürlich ein Unterschied, ob eine Maßnahme nur eine Person oder viele Personen betrifft. Politische Durchsetzungskraft haben wir nur, wenn sich die Mehrzahl der Beschäftigten beteiligt.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung gestaltet?
Mit der Geschäftsführung hatte ich im ersten Jahr nichts zu tun. Die Geschäftsführung hat mit dem Vorsitzenden und den Sprecher*innen der Ausschüsse geredet. Heute hat sich das geändert, weil sich auch die Hierarchien verändert haben.
Wie hast du die Kommunikation und den Austausch mit den Kolleg*innen organisiert?
Ich habe in einem großen Bereich gearbeitet. Wenn es Neuigkeiten gab, habe ich mit dem Chef geredet und dann die Kolleg*innen zusammengetrommelt, um sie in der Pause zu informieren. Daneben habe ich auch viele Einzelgespräche mit den Kolleg*innen innerhalb meiner Gruppe geführt. Ich habe immer versucht klar zu sein und Transparenz zu schaffen.
Welche Kommunikationsmittel und -strategien haben sich als besonders effektiv erwiesen?
Miteinander reden, im Austausch bleiben. Hören was die Kolleg*innen umtreibt. Die Kolleg*innen ernst nehmen. Probleme mit ins Betriebsratsgremium nehmen und sagen, dass der Betriebsrat schaut, ob er in diesem Fall etwas tun kann.

Welche Schulungen oder Weiterbildungen hast du im ersten Jahr besucht, um deine Arbeit als Betriebsrätin zu unterstützen?
Ich hatte vorher schon ein politisches Seminar als Vertrauensfrau der Gewerkschaft besucht. Als Betriebsrätin habe ich im ersten Jahr möglichst schnell ein Grundseminar besucht.
Inwiefern haben dir erfahrene Betriebsratsmitglieder oder Gewerkschaft geholfen?
Ich habe ja bereits erzählt, dass mir ein Betriebsratsmitglied für alle Fragen zur Seite gestanden hat. Da ich im Ortsfrauenausschuss und Schwerbehindertenarbeitskreis der Gewerkschaft aktiv war, habe ich so viele Informationen bekommen. Ich war oft viel besser und eher informiert als mein Betriebsratskollege, der schon länger im Amt war und in meiner Abteilung saß. Hier habe ich auch immer Hilfe bekommen, wenn ich sie benötigt habe.
Gibt es Projekte oder Themen, die du für die Zukunft besonders wichtig findest?
Besonders wichtig ist es für mich junge Menschen für das Betriebsratsmandat zu begeistern und sie dabei zu begleiten. Auch die Regelungen zu der Herausforderung des Strukturwandels finde ich für die Zukunft besonders wichtig.
Was würdest du neuen Betriebsratsmitgliedern raten, die gerade erst ihr Amt antreten?
Neugierig sein und nachfragen. Nicht nur zu den Sitzungen zum Betriebsrat gehen, sondern auch mal zwischendurch, um etwas mitzubekommen. Auf Seminare der Gewerkschaft gehen. Sich von Bemerkungen von Beschäftigten zur Betriebsratsarbeit nicht abschrecken lassen.
Traut euch! Es macht Spaß. Es ist eine sehr interessante Aufgabe. Jede*r kann sich persönlich weiterentwickeln. Ihr könnt den Kolleg*innen helfen. Das wird geschätzt und anerkannt. Dein Blickwinkel erweitert sich ungemein. Ihr lernt viele neue Dinge und Fähigkeiten.
Warum rätst du dazu, Seminare der Gewerkschaft zu besuchen?
Ich habe aus tiefster Überzeugung nur an gewerkschaftliche Seminare teilgenommen. Ein Seminar habe ich beim Integrationsamt gemacht. Die Jurist*innen haben mir das Recht auch gut erklären können. Ihnen hat aber die Praxis gefehlt. Sie konnten zur Umsetzung im Betrieb, zum Interessengegensatz, zu Tricks und Strategien nichts sagen. Dies war auf gewerkschaftlichen Seminaren immer anders, da hier Praktiker*innen unterrichten.
Welche persönlichen Entwicklungen hast du im ersten Jahr als Betriebsrätin gemacht?
Ich bin selbstbewusster geworden und habe mich mehr getraut. Für mich persönlich hatte ich Erfolgserlebnisse. Ich habe plötzlich viele Dinge, Zusammenhänge und Hintergründe verstanden. Dies hat meinen eigenen Horizont erweitert.
Rosi, vielen Dank für das Interview!
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Du hast noch Fragen rund um den Betriebsrat und den passenden Einstieg? Unsere Kolleg*innen von der Bildungsberatung helfen dir gerne weiter!