Südamerika: Neues Entwicklungsmodell ist gefragt!
In Südamerika knirscht es angesichts politischer Polarisierung, sozialer Ungleichheit und gravierender Wirtschaftskrisen. In Venezuela haben die „linke“ Regierung und die Opposition über Jahre das Land im Dauermachtkampf gegen die Wand gefahren und so erst einen ökonomischen Absturz und eine veritable Migration venezolanischer Bürger_innen in die umliegenden Nachbarländer produziert. In Argentinien, wo Mauricio Macri 2015 als Mann wirtschaftsliberaler Vernunft gefeiert wurde, bestimmen Wirtschaftskrise, galoppierende Inflation und Generalstreiks wieder die Schlagzeilen.
Die Fusion und damit Abwertung von unter anderem dem Arbeits- und dem Gesundheitsministerium mit anderen Ministerien zum Erreichen von mit dem IWF vereinbarten Sparzielen sind deutliche Alarmsignale für die Arbeitnehmenden, die jetzt schon die Hauptlast von Wirtschaftskrise und Inflation tragen. In Brasilien wird, der durch den parlamentarischen Staatstreich an die Macht gelangte, Michel Temer das Präsidentenamt unrühmlich verlassen. Die wirtschaftliche Misere ist ungelöst, die politische Spaltung des Landes ist tiefer als zuvor und die Korruptionsermittler sitzen ihm und seiner gesamten Koalition im Nacken.
Die Kampagne zur Präsidentschaftswahl hat Brasilien noch weiter gespalten. Die Wahl des rechtsextremen ehemaligen Militärs Jair Bolsonaro ist eine dramatische Entwicklung, denn er macht aus seiner Verachtung für Andersdenkende und –lebende keinen Hehl und kokettiert immer wieder mit Gewalt gegen seine Gegner.
Es ist immer unwahrscheinlicher, dass Brasilien seine Krisen nach der Präsidentschaftswahl hinter sich lassen kann, auch wenn „die Finanzmärkte“ das Ergebnis der Wahl schon einmal feiern. In Kolumbien ist nach der Wahl von Ivan Duque die Zukunft des Friedensprozesses ungewiss und die Verfolgung von Menschenrechtler_innen, Umweltaktivist_innen und Gewerkschafter_innen hält weiter an. Immerhin unterlag der progressive Kandidat Gustavo Petro bei den Präsidentschaftswahlen nur knapp und es zeigte sich, das geeinte soziale Bewegungen und progressive Parteien perspektivisch die Möglichkeit haben die Gesellschaft sozialer zu gestalten.
Und genau das wäre in dem Kontinent bitter nötig, dessen größtes Übel die himmelschreiende soziale Ungleichheit ist. Laut der kontinentalen Meinungsumfrage „Latinobarómetro“ sieht die Mehrheit der Südamerikaner_innen die eigene wirtschaftliche Lage als größte gesellschaftliche Herausforderung – in Folge niedriger Gehälter, unsicherer Arbeitsplätze, Inflation sowie Arbeitslosigkeit und Armut. Hier müssten verantwortliche Regierungen ansetzen, um ihre Länder und den Kontinent voranzubringen. Sie müssten sich der Sozialen Frage des Kontinents stellen, an einem Entwicklungsmodell arbeiten, das jenseits des überholten Ausbeutungsmodells von Rohstoffexport und Agrobusiness die Diversität von Menschen und Natur respektiert und eine soziale Inklusion aller Bevölkerungsgruppen ermöglicht. Sonst ist der Kampf um das Ziel 8 der UN Agenda für nachhaltige Entwicklung „dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ für Arbeitnehmende in Südamerika verloren, bevor er überhaupt begonnen hat.
Der Kommentar erschien zuerst im Nord-Süd-News Newsletter III/2018, mit weiteren spannenden Informationen zu Arbeitnehmendenrechten weltweit. Der Newsletter kann hier abonniert werden.