Verteilungsgerechtigkeit
Die weltweite Ungleichverteilung von Reichtum und Wohlstand ist ein bekanntes Phänomen – lange fehlten aber konkrete Forschungsergebnisse, die dieses Phänomen auch beschrieben. 2007 zeigte eine Studie des World Institute for Development Economics Research (WIDER) – der „Universität“ der Vereinten Nationen – erstmals, wie diese Ungleichverteilung tatsächlich aussieht: Fast 90 Prozent des weltweiten Vermögens privater Haushalte verteilt sich auf Nordamerika, Europa, Japan und Australien.
Ein Großteil der Weltbevölkerung steht bei privatem Vermögen hinten an
Die restlichen knapp zehn Prozent des „Weltvermögens“ verteilen sich auf die übrigen Staaten - in denen zwischen 70 und 80 Prozent der Weltbevölkerung leben. Bis zu annähernder weltweiter Verteilungsgerechtigkeit bei privaten Einkommen und privatem Reichtum ist es noch ein weiter Weg.
Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigen, dass vor allem die Entgeltstruktur in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern dafür verantwortlich ist: Mehr als 910 Millionen Beschäftigte müssen mit einem Einkommen von weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Das heißt: in Armut zu leben. Zu wenig, um sich und ihre Familie zu ernähren.
Gute Arbeit als Weg aus der Armut
Diesen Zustand zu ändern – dazu soll beispielsweise die Decent Work-Agenda der ILO beitragen. Ziel ist es unter anderem, weltweit mehr und bessere Arbeitsplätze mit gerechter Entlohnung zu schaffen. „Nicht nur der Mangel an Arbeit, sondern vor allem ihre geringe Produktivität ist Ursache der Armut“, erklärt dazu ILO-Generalsekretär Juan Somavia.
Aber „Decent Work“, Gute Arbeit, heißt auch, dieses Wachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgewogen zu gestalten: Würden neben Produktivitätswachstum nicht auch „gleichzeitig menschenwürdige Arbeitsplätze geschaffen, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Chance, den Weg aus der Armut zu finden“, so Somavia.
ArbeitnehmerInnen keine Gewinner
Aber gerechte Verteilung von Vermögen und Wertschöpfung spielt nicht nur im internationalen Vergleich eine Rolle: Innerhalb von Volkswirtschaften nimmt die Verteilungsgerechtigkeit weltweit eher ab als zu – auch in den Industrienationen.
Und betroffen sind von dieser Ungleichverteilung vor allem die ArbeitnehmerInnen – sie gehören immer seltener zu den „Gewinnern“ der Globalisierung. Seit Mitte der 1970er Jahre ist etwa der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen in fast allen Industrieländern kontinuierlich gesunken – dies belegen Zahlen der OECD. Der Anteil von Unternehmens- und Vermögensgewinnen hingegen ist dementsprechend gestiegen.
Ansätze für eine gerechtere Verteilung
Von der Decent Work-Agenda der ILO, über Nachhaltigkeitsstrategien bis zu Steuerkonzepten wie der Tobin-Steuer: Weltweit existieren eine Reihe von Ansätzen, wie neben Guter Arbeit auch eine gerechtere Verteilung von Wohlstand und Vermögen erreicht werden kann:
So haben etwa die Gewerkschaften der G8-Staaten anlässlich ihres Treffens zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm in ihre Erklärung "Die Globalisierung sozial gestalten" auch Forderungen nach mehr Verteilungsgerechtigkeit weltweit aufgenommen. Das von ihnen vorgeschlagene Konzept: "Vernetztes Regieren". Für eine "gerechtere, nachhaltige Weltwirtschaft" müssten die Regierungen auch eine "aktive und gestaltende Politik betreiben", heißt es. Elemente der Wirtschafts-, Finanz-, Handels- und Entwicklungspolitik sollen dazu miteinander vernetzt werden, damit mit steigender Produktivität auch die Löhne und Gehälter der Beschäftigten steigen. Damit wäre in den Industrieländern ebenso, wie in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Globalisierung auch in der Arbeitswelt durch gerechte Verteilung fair gestaltet.
Um eine faire Gestaltung der globalisierten Weltwirtschaft geht es auch bei der Tobin-Steuer und ähnlichen internationalen Steuerkonzepten. Der Grundgedanke ist dabei immer der gleiche: Eine Steuer, die auf alle grenzüberschreitenden Geldtransfers weltweit einheitlich erhoben wird und dadurch die internationalen Finanzmärkte reguliert.
Besonders das globalisierungskritische Netzwerk attac hat sich dafür in den vergangenen Jahren stark gemacht. Die Ziele sind: Durch die Steuer internationale "Geldwechselgeschäfte" weniger lukrativ machen und damit die "Überliquidität" der Devisenmärkte abbauen. Denn dieses Finanzkapital könnte auch für mehr Verteilungsgerechtigkeit genutzt werden. Auch das steckt im Konzept von attac: Denn gleichzeitig würden international große Geldmengen eingenommen, die in Entwicklungsprogramme fließen könnten.
Von der Idee bis zur Umsetzung solcher Konzepte ist es gar nicht mehr so weit, wie man vielleicht denken könnte. Frankreich und Belgien beispielsweise haben die Tobin-Steuer bereits beschlossen - unter der Voraussetzung, dass alle EU-Mitgliedstaaten diese einführen. Und auch in Deutschland hast sich bereits 2002 die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“ des Deutschen Bundestags grundsätzlich für entsprechende Steuerkonzepte ausgesprochen. Je mehr Menschen sich also auch hierzulande für mehr Verteilungsgerechtigkeit einsetzen und entsprechende Schritte der Politik fordern, desto näher rückt das Ziel: Gute Arbeit - gerechte Verteilung.