Soziale Sicherungssysteme
Wer keine gute Arbeit hat, der oder die lebt in der Regel auch in sozialer Unsicherheit. Vor allem, weil in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern die eigentlich nötigen sozialen Sicherungssysteme fehlen, die vor grundlegenden Lebens- und Arbeitsrisiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder den Folgen eines Unfalls schützen.
Wachstum schafft nicht automatisch soziale Sicherheit
Das Recht auf soziale Sicherheit ist originärer Bestandteil der Erklärung der Menschenrechte von 1948. Dort heißt es in Artikel 22: "Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind."
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung "in Bedingungen sozialer Unsicherheit" leben. Lange Zeit vertraten viele politisch Verantwortliche in den Industrienationen oder internationale Organisationen wie die Weltbank die Auffassung, dass wirtschaftliches Wachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern gleichzeitig auch zu Wohlfahrtseffekten für die Bevölkerung und damit zu mehr sozialer Sicherheit führen würden.
Ein Trugschluss: Bei vielen Menschen kommen die positiven Wachstumseffekte der globalisierten Wirtschaft nicht an. Die Vorstellung eines "Durchsickerungseffekts", der den Armen in den Entwicklungsländern durch Wirtschaftswachstum auch mehr soziale Sicherung verschafft, habe sich nicht bewahrheitet, erklärten die Gewerkschaften der G8-Staaten anlässlich des Gipfels in Heiligendamm 2007.
Soziale Sicherungssysteme für alle
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat das erkannt und in den vergangenen Jahren in verschiedenen Erklärungen Lösungsansätze formuliert. So diskutierte das "Social Security Commitee" der Organisation bereits 2001 auf einer der jährlich stattfindenden Internationalen Arbeitskonferenzen in Genf das Thema. Der Grundsatz war klar: Soziale Sicherungssysteme müssen künftig jeder und jedem in einer Gesellschaft zugänglich sein - besonders denen, die heute noch davon ausgeschlossen sind.
Das Ergebnis der Diskussionen war eine Entschließung über soziale Sicherheit. Als Grundlage für mehr soziale Sicherheit weltweit nennt sie etwa eine nachhaltige nationale Finanzierung des sozialen Schutzes und einen Ausbau des Sozialen Dialogs - und zeigt konkrete Strategien.
Strategien für mehr sozialen Schutz
Zum Beispiel für die informelle Wirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern, in der besonders häufig prekäre Arbeitsbedingungen ohne soziale Absicherung vorherrschen. Die ILO verweist hier auf fördernswerte Beispiele guter Praxis wie das der "microinsurances". Das Konzept: Auf lokaler Ebene schaffen sich Gruppen von Beschäftigten ein eigenes, selbstverwaltetes Versicherungssystem. Bei einer gewissen Förderung - etwa durch staatliche oder internationale Stellen und Förderbanken - hat dieses System einige Vorteile. Die unmittelbare Partizipation der Betroffenen ermöglicht ein für ihre Bedürfnisse passgenaues System mit entsprechenden Leistungen, und die Verwaltungskosten können relativ niedrig gehalten werden.