IN KÜRZE
01.09.2025
Michael Sommer:
Globaler Brückenbauer und Netzwerker
Wer mit ihm arbeitete, kannte ihn als engagierten Gewerkschafter, und vor allem als Brückenbauer. Drohte eine schwierige Verhandlungsrunde an zu weit auseinanderliegenden Positionen zu scheitern, mühte Michael Sommer sich – meist erfolgreich – in seiner ruhigen und sachlichen Art, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen und in Richtung bessere Arbeitsbedingungen als gemeinsames Ziel weiterzuspinnen. Diese Fähigkeit prägte seine gesamte internationale Gewerkschaftsarbeit.
Schon als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der er von 2002 bis 2014 war, legte Michael Sommer Wert auf die internationale Zusammenarbeit. Ab 2004 war er auch in führenden Positionen beim Vorläufer des Internationalen Gewerkschaftsbundes und schließlich beim IGB selbst aktiv, unter anderem als stellvertretender IGB-Präsident, bis er von 2010 bis 2014 dieses höchste Amt selbst übernahm.
Respekt erwarb er sich beispielsweise mit seinem Einsatz während der globalen Finanzkrise von 2008/2009. Hier koordinierte er gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsführern weltweite Anstrengungen, um Arbeitsplätze zu schützen und soziale Folgen abzufedern. Darüber hinaus engagierte er sich für die Einführung eines globalen Mindestlohns, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu bekämpfen und faire Löhne international durchzusetzen.
Auch nach seiner Zeit als hauptamtlicher Gewerkschafter blieb er der internationalen Bewegung eng verhaftet. Als stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung betonte er auf seinen internationalen Reisen immer wieder die Bedeutung der Gewerkschaften für die Demokratie.
Michael Sommer trug so maßgeblich dazu bei, Gewerkschaften weltweit enger zu vernetzen, um soziale Standards gemeinsam voranzubringen. Sein Pragmatismus und seine Fähigkeit zum Ausgleich machten ihn zu einer wichtigen Stimme in der globalen Gewerkschaftsbewegung. Am 30. Juni 2025 starb er im Alter von 73 Jahren.
UN verhandeln Steuergerechtigkeit
Die Vereinten Nationen (UN) haben Verhandlungen über ein Rahmenübereinkommen zur internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen begonnen. Die erste Runde fand Anfang August 2025 statt, bis Ende 2027 sollen die Gespräche über ein „inklusives, transparentes und gerechtes globales Steuersystem unter dem Dach der UN“ abgeschlossen sein. Die Gewerkschaftsbewegung hat klare Forderungen formuliert und von einer Delegation unter Leitung des Internationalen Gewerkschaftsbundes, der Internationale der Öffentlichen Dienste und des Gewerkschaftsnetzwerks für Steuergerechtigkeit überbringen lassen. Kurz gefasst geht es darum, dass multinationale Unternehmen ihren gerechten Anteil beitragen, der Missbrauch von Steuerregeln unterbunden wird und diese auf ihren sozialen Impact abgeschätzt werden. Gewerkschaften und Zivilgesellschaft wollen in alle Prozesse eingebunden werden – und dass ein UN-Gremium die Umsetzung aller Rechenschaftspflichten überwacht.
Forderungskatalog: https://www.ituc-csi.org/ITUC-PSI-written-inputs-to-the-INC-on-the-UN-Framework-Convention?lang=en
Buchtipp:
Für einen ökologischen Sozialismus
Der mit seiner Forschung zu wirtschaftlicher Ungleichheit bekannt gewordene französische Ökonom Thomas Piketty ist wieder da: In seinem neuen Buch „Für einen ökologischen Sozialismus“ fordert er eine radikale Neuausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft für mehr globale Gerechtigkeit. Er plädiert für einen „demokratischen, partizipativen Sozialismus“, der auf progressive Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sowie gerechte Verteilung von Einkommen setzt. Eigentum soll zirkulieren, damit sich Reichtum nicht dauerhaft konzentriert. Piketty stellt sich föderale, dezentral organisierte und transnationale Strukturen vor, die Wirtschaft und Politik mit sozialer und ökologischer Verantwortung verbinden. Besonders betont er globale Gerechtigkeit, etwa durch Reparationsleistungen an ehemalige Kolonien und Klimaschutz. Dieser Wandel zu mehr Gleichheit und Nachhaltigkeit könne, davon ist Piketty überzeugt, friedlich erfolgen und sei realistisch erreichbar.
https://www.chbeck.de/piketty-oekologischen-sozialismus/product/38775172
Filmtipp:
Solidarity
Globale Solidarität ist eine Errungenschaft der Vereinten Nationen als Lehre aus den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und seitdem ein kompliziertes und sensibles Projekt. Insbesondere gegenüber Geflüchteten lassen sich immer wieder Herausforderungen und Grenzen ausloten. David Bernet versucht das in seinem Dokfilm „Solidarity“. Er startet 2021 an der polnisch-belarussischen Grenze, wo Aktivistin Marta Siciarek die Gräber von Flüchtlingen zeigt und auf die brutalen Pushbacks verweist. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 erfährt Polen dagegen eine Welle freiwilliger Hilfe und Grenzöffnung für ukrainische Flüchtlinge. Bernet fragt, warum Solidarität selektiv erfolgt: Der Moralphilosoph Bashshar Haydar meint, Menschen solidarisierten sich vor allem mit Personen, denen sie sich verbunden fühlen. UNHCR-Vertreter*innen wie Filippo Grandi und Gillian Triggs betonen die Mühen echter Inklusion – weniger als 1 Prozent der Flüchtlinge erreichen eine neue Heimat und Arbeitserlaubnis. Der Film porträtiert den Kontrast zwischen Welterklärungen und realen Dramen an den Grenzen und hinterfragt die Defizite globaler Hilfe
Kinostart: 21. September
Für Just Transition in der Pflegeökonomie
Vor dem 2. UN-Gipfel für Soziale Entwicklung im November in Doha hat der weltweite Gewerkschaftsverband der Gewerkschaften der Öffentlichen Dienste (PSI) Vorschläge gemacht, wie die Pflegebranche fair und gerecht umgebaut werden muss. Kern ist die Aufforderung, „mit der Vorstellung zu brechen, dass die Pflege gleichmäßig zwischen Familie, Staat und Markt aufgeteilt“ werden solle. Stattdessen müssten alle Reformen davon ausgehen, dass die Verantwortung in erster Linie bei den Staaten liegt. Diese hätten für würdige Arbeitsbedingungen, Professionalisierung und gewerkschaftliche Vertretung der Beschäftigten zu sorgen. Der private Sektor sei nur als „ergänzender und nicht als ersetzender Akteur“ einzubinden und müsse streng reguliert werden. Gewerkschaften müssten prominent dabei eingebunden werden, die Politik zu gestalten – und zu überwachen. Auch die ILO-Resolution zur Unterstützung menschenwürdiger Arbeit in der Pflegeökonomie müsse dahingehend überarbeitet werden. „Die Staaten müssen akzeptieren, dass Pflege nicht der Gnade des Marktes oder dem guten Willen der Familie überlassen werden darf. Sie muss durch solide öffentliche Politik, ausreichende Ressourcen und die Einbeziehung der Pflegekräfte in die Entscheidungsfindung gewährleistet werden“, heißt es von PSI.
Aus NORDSÜD NEWS September 2025 "Internationale Zusammenarbeit"