Gewerkschaftliches Kompetenzzentrum - Unternehmerische Verantwortungslosigkeit? So nicht mehr!
01.09.2025 I Auch wenn Gesetze über Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unternehmen abgeschwächt werden – einfach so weiter machen wie bisher kann die Wirtschaft nicht. Ein neues gewerkschaftliche Kompetenzzentrum für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten soll helfen, Kinderarbeit, moderne Sklaverei oder Umweltzerstörung zu bekämpfen.
Die Einführung von Lieferkettengesetzen in Deutschland und auf EU-Ebene ist eine direkte Antwort auf gravierende Missstände in globalen Produktions- und Handelsketten. Dramatische Ereignisse wie der Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in Bangladesch 2013, bei dem über 1.135 Textilarbeiter*innen ums Leben kamen, haben der Welt die fatalen Folgen von Ausbeutung, fehlender Kontrolle und unternehmerischer Verantwortungslosigkeit vor Augen geführt. Auch anhaltende Kinderarbeit in Kakaoplantagen, Umweltzerstörung im Rohstoffabbau oder prekäre Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft haben den politischen Druck erhöht.
Mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) werden Unternehmen stärker in die Pflicht genommen, Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer globalen Lieferketten zu achten. Leider werden die Gesetzesinitiativen laufend von einer politischen Debatte begleitet, die sie als ‚Bürokratiemonster‘ verfemt. Infolge dieser Debatte stehen Änderungen von Gesetz und Gesetzesinitiative an, die die Substanz stark verwässern könnten. Von der vorherigen Freiwilligkeit unternehmerischer Sorgfalt, ist man dennoch meilenweit entfernt. Darauf fußt ein neues gewerkschaftliche Kompetenzzentrum für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten.
>> Menschenrechtliche Sorgfalt soll nicht bloß ein formaler Begriff bleiben <<
Lieferkettengesetze wirken nur, wenn es Menschen gibt, die sie durchsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die komplexe Gesetzeslage für diese Akteure nachvollziehbar wird. Genau an diesem Punkt setzt ein neues gewerkschaftliches Kompetenzzentrum für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten an. Es verbindet juristisches Know how mit gewerkschaftlicher Erfahrung, stärkt die globale Vernetzung der Gewerkschaftsbewegung und fördert so den Dialog.
Ins Leben gerufen wird es von den Internationalen Gewerkschaftsverbünden Uni Global sowie IndustriALL, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Anschubfinanzierung kommt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Es wird noch 2025 eröffnet und versteht sich als strategisches Instrument, um die Durchsetzung neuer gesetzlicher Standards wie dem LkSG und der EU-Richtlinie wirksam zu begleiten.
Das Zentrum soll Gewerkschaften in Industriestaaten wie Deutschland ebenso wie in Produktionsländern im Globalen Süden dabei unterstützen, bestehende rechtliche Rahmenbedingungen zu nutzen, Missstände sichtbar zu machen und Verstöße systematisch zu bekämpfen. Das Zentrum verfolgt drei zen-trale Schwerpunkte.
Erstens: den gezielten Kapazitätsaufbau durch Schulungen, Wissenstransfer und den Aufbau internationaler Netzwerke.
Zweitens: strategische Interventionen etwa durch rechtliche Beratung bei akuten Arbeitsrechtsverletzungen in besonders risikobehafteten Branchen.
Und drittens: politische und betriebliche Einflussnahme zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Betriebsräten, Aufsichtsbehörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Der Anspruch ist klar: Menschenrechtliche Sorgfalt soll nicht bloß ein formaler Begriff bleiben, sondern konkrete Verbesserungen für Näher*innen in Bangladesch, Minenarbeiter*innen im Kongo oder auch Metallarbeiter*innen in der US-Automobilindustrie erwirken.
Wie dringend nötig das Engagement des Zentrums ist, zeigt sich in den vielen Beschwerden über die Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten. Zahlreiche Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben Beschwerden beim für das LkSG verantwortlichen Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht oder Hinweise darüber geliefert, dass Unternehmen ihre Verpflichtungen nach dem LkSG nicht erfüllen – sei es durch ungenügende Risikoanalyse, fehlende Zugänglichkeit der Beschwerdeverfahren oder mangelnden Schutz der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber.
Mit dieser Fülle an Fällen wird deutlich, dass viele Unternehmen menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entlang ihrer Lieferketten entweder erst spät oder gar nicht adressieren. Beim Verfassen der Beschwerden, geraten viele Akteur*innen an ihre Grenzen. Hier wird das Kompetenzzentrum künftig mit Unterstützungsmaßnahmen zur Seite stehen.
Autorin: Miriam-Lena Horn leitet das Referat für internationale Lieferketten in der Abteilung internationale und europäische Gewerkschaftspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Sie ist einer der Köpfe hinter dem neuen Kompetenzzentrum.
Aus NORDSÜD NEWS September 2025 "Internationale Zusammenarbeit"