Gewerkschaften und NGOs
Dass Gewerkschaften sich auf betrieblicher und nationaler Ebene für faire Arbeitsbedingungen einsetzen, gehört zu ihrem Selbstverständnis. Aber auch auf internationaler Ebene sind sie und andere Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) für gute Arbeit aktiv.
Einfluss nehmen - Globalisierung sozial gestalten
Ein Instrument dabei ist, parallel zu internationalen Organisationen und Zusammenschlüssen von Nationalstaaten ähnliche Strukturen zu schaffen, um als Gewerkschaften oder Nicht-Regierungsorganisationen unmittelbar Einfluss auf politische Entscheidungen auf internationaler Ebene nehmen zu können. So gibt es etwa vor jedem G8-Gipfel neben den Zusammenkünften von RegierungsvertreterInnen auch ein G8-Gewerkschaftstreffen mit den ArbeitsministerInnen, um der sozialen Komponente und der Stimme der ArbeitnehmerInnen bei den Wirtschaftsmächten Gehör zu verschaffen. Beim Gipfel in Heiligendamm ist das mit der gemeinsamen Erklärung "Die Globalisierung sozial gestalten" beispielhaft gelungen - viele Inhalte des gemeinsamen Papiers wurden in die Schlusserklärung des Gipfels übernommen.
Internationale Arbeitnehmervertretungen
Überall dort, wo es Gewerkschaften gelingt, für Betriebe, Unternehmen und Konzerne Arbeitnehmervertretungen zu organisieren, sind diese das beste Instrument, die Interessen der Beschäftigten unmittelbar umzusetzen. In den Ländern der Europäischen Union gilt seit 1994 die EU-Richtlinie über Europäische Betriebsräte. Sie ermöglicht für Unternehmen, die insgesamt mindestens 1000 Beschäftigte haben und in mindestens zwei EU-Staaten mit je 150 Beschäftigten vertreten sind, die Gründung eines Europäischen Betriebsrats (EBR). Über 800 Euro-Betriebsräte haben sich seitdem gegründet. Um ihre Arbeit effektiver zu gestalten und den EBR mehr Rechte als heute zu geben, streben die europäischen Gewerkschaften eine Revision der EBR-Richtlinie an. Die EU-Kommission will im Juni 2008 ihren Entwurf für eine neue Richtlinie vorlegen. Auch wenn die EBR bisher nicht so weitgehende Mitbestimmungsrechte haben wie etwa die Betriebsräte in Deutschland, haben sie sich bewährt: Sie sind ein verbindendes Element und ein Instrument der Koordination und Kommunikation von Belegschaften, ArbeitnehmervertreterInnen und Gewerkschaften aus verschiedenen Ländern. Und sie sind häufig der "Innovationsmotor" für internationale Projekte und Zusammenarbeit für gute Arbeit (wie etwa die Beispiele von "Strategien auf betrieblicher Ebene" zeigen).
Auch dort, wo es keine gesetzlich festgelegten Möglichkeiten gibt, internationale Arbeitnehmervertretungen zu wählen, haben Gewerkschaften Wege gefunden, dieses Instrument zu nutzen. Wie etwa die IG Metall gemeinsam mit anderen Gewerkschaften bei Volkswagen gezeigt hat: Auf ihre Initiative haben die ArbeitnehmervertreterInnen dort mit dem Konzern 1998 die Gründung eines Weltbetriebsrats vereinbart. Der "Welt-Konzernbetriebsrat" vertritt rund 300.000 Beschäftigten an mehr als 40 Standorten weltweit. Seine selbst gesetzten Arbeitsschwerpunkte sind ganz konkrete Belange der ArbeitnehmerInnen wie Beschäftigungs- und Standortsicherung, reichen aber auch von nachhaltigen Arbeitsaspekten wie dem betrieblichen Umweltschutz bis zur Gestaltung von Rahmenbedingungen für den internationalen Handel.
Inzwischen haben neben Volkswagen fünf weitere Konzerne einen Weltbetriebsrat, den das Management als ernst zu nehmenden Gesprächspartner akzeptiert: das Maschinenbauunternehmen SKF, Danone, der frühere DaimlerChrysler-Konzern, Renault und Lego.
Kampagnen für gute Arbeit
Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen haben oft zu wenig direkten Einfluss auf die Politik. Aber sie können durch die Mobilisierung ihrer Mitglieder und der Öffentlichkeit Themen setzen und mehr Aktivität von der Politik einfordern. Mit verschiedenen Kampagnen wird dieses Instrument auch für gute Arbeit weltweit eingesetzt. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hat etwa die Kampagne "Decent Work - Decent Life" gestartet, um international für bessere Arbeitsbedingungen zu streiten. Besonders Ereignisse, bei denen weltweit ohnehin eine große Öffentlichkeit garantiert ist, eignen sich, um zu zeigen, wo gute Arbeit noch nicht selbstverständlich ist und wie sie erreicht werden kann: Verschiedene Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen nutzten etwa die Olympischen Spiele in Peking für ihre Kampagne PlayFair 2008, und der Österreichische Gewerkschaftbund plädierte anlässlich der Fußball-EM 2008 im eigenen Land für "Fairplay at work".
Online mobilisieren und protestieren
In bestimmten Situationen reichen langfristig angelegte Kampagnen nicht aus, um auf Arbeitnehmerrechte, beziehungsweise deren Verletzung aufmerksam zu machen. Dann sind schnelle Reaktionen der Öffentlichkeit auf akute Missstände von Nöten. Das Internet bietet heute die Möglichkeit, kurzfristig und weltweit Protestaktionen zu organisieren und den Protest schnell - etwa per E-Mail - direkt an die politisch Verantwortlichen zu adressieren. "Urgent action" (deutsch: "Eilaktion") heißt es dann meist auf den Homepages der Gewerkschaften oder Nicht-Regierungsorganisationen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und andere globale Gewerkschaften (etwa die Internationale Gewerkschaft für die Lebensmittelbranche, IUF) nutzen diese Instrument ebenso wie Menschenrechtsorganisationen, die sich für verfolgte GewerkschafterInnen einsetzen: zum Beispiel amnesty international.
Missstände und Fortschritte aufzeigen: Ein Index für gute Arbeit
Um tatsächlich beurteilen zu können, wie Maßnahmen für gute Arbeit wirken, welche Aspekte der Arbeitswelt sich besonders auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auswirken und welche Missstände es noch zu beheben gilt - dafür sind Arbeitnehmervertretungen, Gewerkschaften und die Politik auf umfassende und verlässliche Daten angewiesen: Wie beurteilen die Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen - vom Einkommen, über Arbeitszeit bis zur Betriebskultur?
Die aber gibt es bisher kaum. Deshalb hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein bisher weltweit einmaliges Projekt gestartet. Was für ökonomische Aspekte seit Jahrzehnten üblich ist, gibt es jetzt auch für die Belange und die Arbeitssituation der Beschäftigten: einen Index. Mit dem DGB-Index Gute Arbeit gibt es erstmals ein Instrument, das umfassend die Qualität von Arbeit misst. Sein Maßstab ist das Urteil der Beschäftigten selbst. In einer repräsentativen Umfrage geben seit 2007 jedes Jahr rund 6000 Beschäftigte - vom Mini-Jobber bis zur leitenden Angestellten - ein Urteil über ihre Arbeitsbedingungen ab - zu insgesamt 15 Aspekten ihrer Tätigkeit, den so genannten "Arbeitsdimensionen". Die so errechnete Index-Skala reicht von 0 bis 100. Weniger als 50 Punkte sind "schlechte Arbeit", in "gute Arbeit" befindet sich ein/e ArbeitnehmerIn ab einem Index-Wert von 80.