Netzwerk für Gewerkschaftsfreiheit - Es geht um Einschüchterung und oft um Leben und Tod
01.09.2025 I In der Initiative Gewerkschaftsfreiheit International kämpfen Ehrenamtliche von IG Metall und Amnesty gemeinsam für verfolgte Arbeitsrechtsaktivist*innen.
Für Sharifeh Mohammadi geht es ums Überleben. Ein iranisches Revolutionsgericht hat sie im Februar ein zweites Mal zum Tode verurteilt. Die gelernte Industriedesignerin hatte sich in einer legalen Gruppe organisiert, die die Gründung unabhängiger Gewerkschaften unterstützt. Die Ankläger werfen Mohammadi „bewaffnete Rebellion gegen den Staat“ und Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung vor.
4.000 Kilometer weiter nordwestlich der iranischen Region Gilan, wo Mohammadi im Gefängnis um ihr Leben kämpft, sitzt Aliaksandr Yarashuk ebenfalls in Haft. Der Präsident des belarussischen Kongresses Demokratischer Gewerkschaften wurde zu vier Jahren verurteilt, weil er gegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine protestierte. Die offiziellen Vorwürfe gegen ihn sind genauso haltlos wie die gegen Mohammadi. Dass er Vizepräsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) und Mitglied im Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation ist, verschaffte ihm offenbar keinen Respekt bei den Häschern.


„Mohammadi und Yarashuk brauchen jede Unterstützung“, sagt Begüm Langefeld, Sprecherin der Koordinationsgruppe Gewerkschaften von Amnesty International. „Beide müssen bedingungslos freigelassen werden“, fordert Ulrich Breitbach, der bei der IG Metall aktiv ist. Beide arbeiten zusammen bei Gewerkschaftsfreiheit International, einer ehrenamtlichen „Initiative der IG Metall in Kooperation mit Amnesty“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt.
Aktuell laufen Kampagnen für die Freilassung der iranischen Gewerkschafterin Sharifeh Mohammadi und des belarussischen Gewerkschaftspräsidenten Aliaksandr Yarashuk.
Zum 1. Mai dieses Jahres haben sie gemeinsam mit engagierten Gewerkschafter*innen und anderen Ehrenamtsgruppen eine Aktion für Mohammadi und Yarashuk gestartet und dazu aufgerufen, sich in Form von Online-Petitionen, E-Mails oder Briefen an die Regierungen für die Freilassung der beiden einzusetzen. Diese internationale Solidarität kann erfolgreich sein: 2024 standen zwei Gewerkschafterinnen aus Kambodscha und Belarus im Fokus der Aktion zum Tag der Arbeit. Beide sind inzwischen frei.
„Bei der Verfolgung geht es immer um Einschüchterung und oft um Leben und Tod“, sagt Langefeld und verweist auf den seit 2014 jährlich erscheinenden Global Rights Index des IGB. Dieser dokumentiert akribisch, wie Gewerkschaften und Arbeitnehmende weltweit unter Druck sind: Wo – wie derzeit in so vielen Ländern – Angriffe auf die Demokratie stattfinden, trifft es die Verteidiger von Menschen- und Arbeitnehmendenrechten als erste. So wird derzeit das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren, weltweit in drei von vier Ländern behindert.
„Unsere Initiative beschäftigt sich immer auch mit diesen politischen Zusammenhängen, und wir stellen einzelne verfolgte Kolleg*innen in den Fokus“, sagt Breitbach. Das unterscheide sie von anderen internationalistischen gewerkschaftlichen Gruppen, die Strukturen in einzelnen Betrieben unterstützten.
Die Vernetzung mit diesen Gruppen wie auch mit dem IGB und Internationalen Gewerkschaftsverbünden wie IndustriAll oder PSI sei jedoch existenziell – nicht nur, um Informationen auszutauschen, sondern auch, um internationale Solidarität besser zu verankern. „Die Aktiven in den Gewerkschaften und Betrieben haben so viel zu tun mit Betriebspolitik und Sozialpolitik, dass sie für internationale Themen immer wieder angesprochen werden müssen“, so Breitbach. Dann sei das Interesse aber da. „Es ist ihnen klar, dass es ohne Solidarität auch über Grenzen hinweg keine Gewerkschaften gäbe.“
» Die Mitarbeit ist offen, man muss kein IG Metall-Mitglied sein, um mitzumachen. «
Ulrich Breitbach, IG-Metall
Die Initiative Gewerkschaftsfreiheit International gibt es seit 2020. Sie ist keine Gliederung der IG Metall, sondern arbeitet ehrenamtlich, kann sich aber auf den Rückhalt bei den Hauptamtlichen verlassen. Auch, weil der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Kerner sie damals ins Leben gerufen hat. Und weil die IG Metall es gern unterstützt, wenn jemand aktiv wird. „Bei der 1. Mai-Aktion haben dieses Jahr schon mehr als 40 Geschäftsstellen mitgemacht“, sagt Breitbach. Auch auf andere Gewerkschaften und den DGB strahlt die Arbeit aus. „Die Mitarbeit ist offen, man muss kein IG Metall-Mitglied sein, um mitzumachen.“
Amnesty bringt seine Expertise in der Fallarbeit und im Research ein: Die Menschenrechtsorganisation arbeitet mit NGOs, die direkt vor Ort sind. „Bei uns werden alle Informationen doppelt und dreifach geprüft“, sagt Langefeld. Mit seinen Publikationen, weltweiten Kampagnen und direkter Lobbyarbeit ist Amnesty zudem international sehr breit aufgestellt – und die Mitglieder kennen sich mit Petitionen und Briefeschreiben aus.
Auf der anderen Seite kann die IG Metall mit ihren zwei Millionen Mitgliedern und der Verankerung in den Betrieben breite Schichten erreichen und mobilisieren. „Und manchmal haben wir auch die besseren Kontakte“, sagt Breitbach. Die Informationen über Yarashuk etwa kamen über die Gewerkschaftsschiene.
Die Initiative lädt jährlich im Februar zu einem Workshop in Frankfurt am Main ein, den die IG Metall finanziert. Zwischen 20 und 30 Aktive nehmen daran teil, zusätzlich gibt es zwei Videokonferenzen, die 1. Mai-Aktion und mehrere Newsletter. Das Bildungszentrum in Sprockhövel räumt ihr einen Platz auf der Homepage ein, wo es neben Hintergründen auch immer die neuesten Infos gibt.
Aktuell am wichtigsten: Die Postkartenaktionen laufen noch. Vor allem für Mohammadi spitzt sich die Lage zu. Seit Israel den Iran bombardiert hat, sind immer mehr Todesurteile auch vollstreckt worden.
Alle Informationen und die Möglichkeit zu unterschreiben gibt es hier:
https://igmetall-sprockhoevel.de/verfolgte-gewerkschafterinnen/
Kontakt: amnesty@igmetall.de
Autorin: Beate Willms
Aus NORDSÜD NEWS September 2025 "Internationale Zusammenarbeit"