Aus den Projekten in Panama: Die neue Macht der Bananenarbeiter*innen
01.09.2025 I Panamas Präsident Mulino will, so sagt er, sein Land „aus dem Würgegriff der Gewerkschaften“ befreien. Dass er über die Bananenproduktion derzeit nur mit dem Fruchtkonzern Chiquita verhandelt, werden Arbeiter*innen sich nicht bieten lassen – auch dank Unterstützung durch das DGB-Bildungswerk.
Gegen Francisco Smith wird ermittelt. Der 53-jährige Vorsitzende von Sitraibana, der Gewerkschaft der Arbeiter in der Bananenindustrie, muss sich wegen illegaler Straßenblockaden und Aufruf zum Widerstand verantworten. „Ich darf mich in Panama nicht frei bewegen, muss mich regelmäßig bei den Behörden melden“, sagt der ehemalige Plantagenarbeiter mit dem breiten Kreuz.
Bis 2017 erntete Smith Bananen rund um die Provinzstadt Changuinola auf einer von rund zwei Dutzend Chiquita-Plantagen, wo die gelben Früchte verpackt und nach Europa exportiert wurden. Dann wurde er zum Vorsitzenden der Gewerkschaft gewählt und vertritt nun deren Interessen in der Bananenprovinz Bocas del Toro sowie gelegentlich in Panama City.
In der Hauptstadt hat Smith Mitte Juni 2025 einen Kompromiss mit den Abgeordneten des Parlaments ausgehandelt. Die Arbeiter*innen von Sitraibana räumten die Straßensperren in Bocas del Toro und stellten den Streik nach vierzig Streiktagen ein. „Mit dem Gesetz 462 soll das Rentensystem reformiert werden und erkämpfte Rechte sollen beschnitten werden. Zum Beispiel soll das Renteneintrittsalter
steigen. Dagegen sind wir auf die Straße gegangen. Das ist legitim und die Parlamentarier sind uns auch entgegengekommen“, erklärt Smith. Die Abgeordneten sicherten ihnen zum Beispiel zu, das frühere, von den Gewerkschaften erkämpfte Pensionsrecht zu erhalten.
» 40 Tage lang Straßenblockaden zu organisieren, die Plantagen lahmzulegen und trotz Polizeigewalt durchzuhalten, das zeugt von einem hohen Maß an Einigkeit.«
Dialys Isbeth Campa, Gewerkschaftsdachverband in Panama
Smith hat auch Chiquita, den wichtigsten Arbeitgeber im Bananensektor, schon früh darauf hingewiesen, dass ein Arbeitskonflikt rund um das Gesetz 462 drohe. Warum? „Wir müssen uns als Interessenvertretung der Arbeiter*innen wehren“, sagt er. Also legten er und die rund 7.000 organisierten Arbeiter*innen im Bananensektor des Landes die Arbeit nieder. „Wir haben eine Urabstimmung gemacht. Das Ergebnis war eindeutig. Dann haben wir Chiquita informiert, dass sich der Streik nicht gegen sie, sondern gegen die Regierung in Panama Stadt richtet“, erzählt Smith.
Doch dann erklärte zuerst das Arbeitsministerium, später ein Gericht den Streik für illegal. Chiquita nutzte dies, um alle rund 7.000 Angestellten aus Produktion, Verpackung und Verwaltung in der Provinz Boca del Toro zu entlassen. Smith sieht darin ein arbeitsrechtlich fragwürdiges Vorgehen.
Dialys Isbeth Campa vom Gewerkschaftsdachverband in Panama, der Confederación de Trabajadores de Panamas (CTRP) sieht das genauso. Auch sie hält den Streik für berechtigt und sagt: „40 Tage lang Straßenblockaden zu organisieren, die Plantagen lahmzulegen und trotz Polizeigewalt durchzuhalten, das zeugt von einem hohen Maß an Einigkeit.“ Campa hat Smith und seine Kolleg*innen in der Bananenregion Bocas del Toro regelmäßig besucht. „Wir haben Seminare angeboten, Schulungen auf den Plantagen, Rechtsberatungen sowie Work Shops zu den Strukturen in der Lieferkette“, erklärt die 47-Jährige. Das sei Teil eines neun Jahre lang laufenden Programms gewesen, das dank internationaler Unterstützung auch des Bundemsministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) möglich gewesen sei.

So hat zum Beispiel das DGB Bildungswerk das Programm aus seinem Büro in Sāo Paulo koordiniert. Am Ende konnte auf jeder der rund 40 Bananen-Plantagen in der Region Bocas del Toro eine Gewerkschaftsvertretung aufgebaut werden. Das ist nicht selbstverständlich.
Denn Gewerkschaften stehen im Plantagenanbau Lateinamerikas unter extremem Druck, Arbeitsrechte werden von Fruchtunternehmen wie Chiquita, Del Monte oder Dole oft unterlaufen. Erst vor wenigen Wochen wurde Chiquita in Kolumbien wegen der Zusammenarbeit mit Paramilitärs zu Entschädigungen für die Opfer verurteilt.
Repression durch staatliche Institutionen hat es in der Bananenregion Bocas del Toro, aus der 17 Prozent der nationalen Exporte kommen, bereits in den 1990er gegeben. In den letzten Wochen haben sie sich unter der Regie des libertär agierenden Präsidenten José Raúl Mulino wiederholt. Mulino hat den Ausnahmezustand über die Region verhängt und Spezialeinheiten der Polizei geschickt, um die Proteste mit Gewalt zu beenden.
Das hat massive Kritik der Internationalen Arbeitsorganisation nach sich gezogen. Für Mulino geht es jedoch darum, „Panama aus dem Würgegriff der Gewerkschaften“ zu befreien, wie er es nennt. So verhandelt die Regierung in Panama City derzeit mit Chiquita über die Wiederaufnahme der Bananenproduktion. Sitraibana ist bei den Gesprächen nicht dabei.
Für Francisco Smith ist das – genauso wie die Entlassung von Arbeiter*innen mit chronischen Erkankungen im Mai – ein weiterer Affront. Allerdings ist er sich sicher, dass an der Gewerkschaft kein Weg vorbeiführt. „Wir haben es dank der internationalen Hilfe geschafft, unsere Mitglieder zu qualifizieren. Sie sind geeint, bereit, erneut für Chiquita zu arbeiten, aber nur zu fairen Bedingungen.“ Smith ist sich sicher, dass weder der Fruchtkonzern noch die Regierung 7.000 neue Plantagenarbeiter*innen finden werden – und er ist dialogbereit.
Autor: Knut Henkel arbeitet als freier Journalist zu Wirtschaft und Gesellschaft in Lateinamerika - und bereist immer wieder Länder wie Panama.
Aus NORDSÜD NEWS September 2025 "Internationale Zusammenarbeit"