Alterssicherung und -vorsorge
Alterssicherung und -vorsorge kann in Entwicklungs- und Schwellenländern heute noch nicht so funktionieren, wie es etwa in den Industrieländern üblich ist. Häufig fehlen schlicht entsprechende staatliche oder öffentliche Sozialverwaltungs- und Beitragssysteme, von deren Leistungen ein Großteil oder gar die gesamte Bevölkerung profitieren könnte. Damit Alter nicht gleich Armut bedeutet, müssen alternative Konzepte entwickelt und durchgesetzt werden. Gleichzeitig warnen immer mehr Organisationen in den Industrieländern vor drohender Altersarmut, besonders von Frauen.
Arm in Arbeit - arm im Alter
Zwei Drittel der Menschen über 60 Jahre leben heute in Entwicklungsländern. 2030 werden Schätzungen internationaler Organisationen nach Dreiviertel aller alten Menschen in Entwicklungsländern leben. Schon heute leben weltweit 100 Millionen alter Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag, und 80 Prozent alter Menschen in Entwicklungsländern haben kein regelmäßiges Einkommen. Altersarmut ist deshalb ein verbreitetes Phänomen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Gleichzeitig übernehmen rund 90 Prozent der Alten - meistens die Frauen - die Pflege von AIDS-kranken Verwandten zu Hause. Zudem leben über die Hälfte der AIDS-Waisen bei den Großeltern. Insbesondere ältere Frauen können sich jedoch immer weniger auf die informellen Solidargemeinschaften verlassen und kommen auch seltener als Männer in den Genuss formeller Sicherungssysteme. Die familiären Solidargemeinschaften, die traditionell für den sozialen Ausgleich und die Pflege sorgten, zerfallen zunehmend. Die alten Menschen geraten so gewissermaßen unter die Räder der Globalisierung.
Weltaltenplan der Vereinten Nationen will Altern in Würde ermöglichen
Eine Grundlage für das Handeln der Politik ist der Weltaltenplan, der 2002 von der UNO in Madrid verabschiedet wurde. In der Madrider Erklärung verpflichtet sich die Weltgemeinschaft, die Teilhabe älterer Menschen in ihren Gesellschaften zu fördern und ein Altern in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Das Dokument wurde von 159 Staaten unterzeichnet. Gleichzeitig will die UNO die SeniorInnen im Kampf gegen HIV/AIDS stärken, denn deren Förderung kann wichtig sein, damit mehr Kinder zumindest die Grundschulen besuchen und eine gute Gesundheitsversorgung erhalten. Der Weltaltenplan fordert deshalb die Einbeziehung der Bedürfnisse alter Menschen in Strategien des Kampfes gegen HIV/AIDS. 2006 haben die Vereinten Nationen beschlossen, alte Menschen insbesondere in ihrer Rolle als Pflegende zu unterstützen. Doch es ist zunehmend notwendig, sie mit ihren eigenen Rechten und Bedürfnissen zu berücksichtigen.
Grundsicherung für SeniorInnen aufbauen
Mindestrenten für SeniorInnen sind hierbei ein effektives Mittel, das auch den Familien als Ganzes zugute kommt. Das forderte Dr. Katharina Müller vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) auf dem Symposium "Die unsichtbare Generation" von Caritas international und HelpAge Deutschland im November 2006 in Berlin. Der bisherige Schwerpunkt internationaler Rentenpolitik lag auf der beitragsfinanzierten Alterssicherung und deren Reform. Die Mehrheit der älteren Menschen in Entwicklungsländern ist aber in solchen beitragsfinanzierten staatlichen oder privaten Alterssicherungssystemen nicht versichert. In der Entwicklungszusammenarbeit müssen deshalb neben die Förderung von Pilotmaßnahmen auch finanzielle Transfers für den Aufbau staatlicher sozialer Sicherungssysteme treten. Internationale Studien belegen, dass eine soziale Grundversorgung selbst in den ärmsten Ländern mit einem sehr geringen Anteil des Bruttosozialproduktes zu finanzieren ist. Dieser Prozess muss auch durch die Entwicklungszusammenarbeit weiter gefördert werden.
Altersarmut in den Industrieländern
Auch in den Industrieländern, so warnen Organisationen und Wohlfahrtsverbände, wird sich die Altersarmut dramatisch verschlimmern. Noch ist die Lage nach Ansicht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) „solide“. Allerdings sei beispielsweise das deutsche Rentensystem nicht in der Lage, all die abzusichern, die in den kommenden Jahrzehnten Rente bekommen werden und aufgrund zeitweiser Arbeitslosigkeit oder geringer Einkommen weniger einzahlen konnten. Zwar bieten die Rentensysteme in Europa den meisten älteren Menschen einen hohen Grad an Einkommenssicherheit und finanzieller Autonomie. Doch auch die EU-Kommission konstatiert: Rentnerarmut ist für viele ältere BürgerInnen Europas eine Realität. Für die Kommission stehen daher drei Prioritäten auf der Tagesordnung: die Rentensysteme auch zukünftig sichern; zu gewährleisten, dass Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung nicht verloren gehen, wenn ArbeitnehmerInnen innerhalb eines Landes oder über die Grenzen hinweg den Arbeitsplatz wechseln und die Verbesserung der Systeme der betrieblichen Altersvorsorge. Zu diesem Zweck hat die EU-Kommission ein Rentenforum eingerichtet, das sich aus ExpertInnen der Regierungen, der Sozialpartner und repräsentativen Organisationen auf EU-Ebene zusammensetzt.
Frauen von drohender Altersarmut besonders betroffen
70 Prozent der Armen sind Frauen - weltweit. Frauen haben daher auch ein höheres Risiko, arm alt zu werden. Das hat viele Gründe. Frauen sind, auch durch ihre Rolle als "Zuverdienerin" und "Familienverantwortliche", öfter prekär beschäftigt und können somit nicht oder nur wenig fürs Alter ansparen. Und dort, wo Frauen arbeiten, verdienen sie selbst auf gut bezahlten Arbeitsplätzen durchschnittlich etwa 25 Prozent weniger als Männer. Denn Frauen sind nach wie vor eher in den unteren Lohngruppen zu finden. Die Benachteiligung im Erwerbsleben wird im sozialen Sicherungssystem fortgeschrieben, das sich an der Norm männlicher Erwerbsbiografien orientiert. Das heißt, eine ausreichende Absicherung im Alter, bei Krankheit und Erwerbslosigkeit ist nur bei durchgehender Vollzeiterwerbstätigkeit und bei durchschnittlichem Einkommen gewährleistet.
Trendumkehr in der deutschen Rentenpolitik
Der DGB hat ein umfangreiches Eckpunktepapier vorgelegt, mit dem die Rente zukunfts- und armutsfest gemacht werden soll. Neben einer effektiven Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit und Armutslöhnen, die beide unzureichende Renten zur Folge haben, verlangen die Gewerkschaften nachhaltige Reformen im System der Rentenversicherung: Neben einer Erhöhung des Rentenniveaus sollen auch Selbstständige, BeamtInnen und PolitikerInnen in die Rentenversicherung einbezogen werden. Außerdem müssten die Erwerbsminderungsrenten ausgebaut werden und die Rentenzahlungen für Langzeitarbeitslose deutlich aufgestockt werden.