Transformation – Plattformarbeit: Kampf gegen das Monopol
Tausende Menschen verdienen Geld mit dem Internet. Doch Transparenz über Zensur und Ausschüttungsmodelle bei der größten Online-Plattform YouTube fehlt. Die YouTubers Union will das ändern.
Katzenvideos, Tutorials fürs Heimwerken oder das schönste Make-up, Erklärstücke über physikalische Phänomene: Weltweit verbreiten Menschen ihr Wissen und ihre Ansichten über die Online-Plattform YouTube. Für viele ist das Erstellen und Verbreiten der Inhalte längst kein Hobby mehr, sondern ein Konzept, mit dem sich Geld verdienen lässt. Eine Interessenvertretung haben die Digitalarbeiter_innen bisher aber nicht.
Jörg Sprave will das ändern. 2018 hat er die YouTubers Union gegründet. Grund für seine Initiative war das Geschäftsmodell des US-Tech-Giganten Alphabet, des Google-Mutterkonzerns, dessen Tochterfirma auch YouTube ist. Die YouTuber laden ihre Videos auf die Plattform hoch, YouTube baut dann Anzeigen in die Formate ein. Die Urheber_innen werden offiziell mit einem Anteil von rund 55 Prozent an den Werbeeinnahmen beteiligt. Aber wie sich diese Beteiligung konkret darstellt, bleibt im Verborgenen. »Es fehlt an Transparenz«, sagt Sprave.
Bis zu 30.000 Mitglieder organisieren sich derzeit in der YouTubers Union. Sie arbeiten international, aus allen Ecken der Welt. Manche sind hauptberuflich als YouTuber unterwegs, für manche sind die Veröffentlichungen eher eine spaßige Nebenbeschäftigung. Die Forderung nach mehr Transparenz bezieht sich nicht nur auf finanzielle Aspekte, sondern auch auf mehr Beteiligung etwa beim Empfehlungssystem oder wenn YouTube Videos löscht oder zensiert. »Die YouTuber haben keine Handhabe«, beklagt Sprave.
Die Online-Plattform hat klare Vorgaben, was den Umgang mit Hassrede oder verfassungsfeindlichen Inhalten angeht. Da das Thema digitale Gewalt zunehmend auf der politischen Agenda steht, sind auch die Plattformen sensibler geworden. »Wir wollen klare Regeln, aber keine Willkür, wenn Videos gelöscht werden«, sagt Sprave. Er hält vor allem die Zensurauswahl über Software, über Künstliche Intelligenz für problematisch. Auf diese Art und Weise würden sehr viele Formate zu Unrecht gelöscht.
Alphabet hält sich nach wie vor bedeckt, was genaue Einnahmen und Umsätze angeht. Anfang 2020 wurde allerdings überraschend die Höhe der Werbeerlöse bei YouTube veröffentlicht. Den Angaben nach nahm die Plattform allein 2019 rund 13,5 Milliarden Euro ein.
Bei einem marktführenden und weltweit agierenden Konzern durchzukommen, war auch für Sprave und seine Mitstreiter_innen eine Herausforderung. Nach zwei Jahren konzentrierter Lobbyarbeit für die Sache der YouTuber öffnen sich aber immer mehr Türen.
Unterstützt wird die Arbeit der YouTubers Union seit 2019 von der IG Metall. »Plattformen wie YouTube ändern laufend die Regeln, um höhere Profite zu erzielen. Die Interessen der Video-Produzenten bleiben dabei zunehmend auf der Strecke«, begründet Christiane Benner, die Zweite Vorsitzende, die Zusammenarbeit. »Viele YouTuber klagen unter anderem über mangelnde finanzielle und soziale Absicherung sowie über schlechte Kommunikation mit der Plattform. Es ist völlig intransparent, nach welchen Kriterien den Videos Werbung zugewiesen wird und welche Videos in Suchergebnissen und in automatischen Playlists angezeigt werden.« Dies müsse sich dringend ändern.
Über die Kooperation ist es gelungen, auf politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Im Gegenzug kennen die YouTuber nicht nur ihre Community recht gut, sondern auch das System YouTube.
Die YouTubers Union ist derzeit eine Internetbewegung. Um international rechtsfähig zu werden, ist die Gründung eines Vereins geplant. In den kommenden Wochen soll FairTube e.V. an den Start gehen. Perspektivisch sollen dann die Mitglieder der YouTubers Union Teil des Vereins werden.
Noch hat YouTube ein Monopol inne. Andere Plattformen wie etwa Vimeo haben deutlich weniger Reichweite. »Arbeitnehmer_innen sind völlig machtlos und abhängig von einem einzigen Arbeitgeber. Das einzige, was hilft, war und ist, sich zusammenzuschließen«, sagt Sprave. Der Beruf des Crowd-Workers müsse endlich auch im Arbeitsrecht berücksichtigt werden. Es geht dabei nicht nur um die Bezahlung, sondern auch um soziale Absicherung.
Digitalarbeiter_innen zählen zu den Profiteuren der Corona-Pandemie. Ganz gleich ob Onlinehandel, Wissens- oder Entertainment-Formate im Internet, die Macher_innen haben kaum Verluste zu beklagen. Viewer-Zahlen und Reichweiten sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, Werbeeinnahmen auf Online-Plattformen ebenso. Allerdings kommt auch dieser Anteil laut den Aktivist_innen noch nicht bei den Urheber_innen an. »Wir wollen das System YouTube nicht zu Fall bringen, sondern ein Gleichgewicht schaffen«, sagt Sprave. »Mitbestimmung muss auf Augenhöhe geschehen und nicht nur willkürlich aus Unternehmenssicht.«
Autorin: Tanja Tricarico ist Journalistin, lebt in Berlin und beschäftigt sich vor allem mit der Internet-Ökonomie
November/2020
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