„Kein business as usual, indem wir Profit über Menschen stellen“.
Ein Fazit der Pandemie weltweit: Die soziale Infrastruktur muss gestärkt werden und raus aus der Privatisierung. Ein Blick auf die Corona-Krise, Arbeitnehmende und Gewerkschaftsreaktionen in Uganda.
Kampala, 29.Mai 2020
Lockdown
Am 22. März 2020 verzeichnete Uganda seinen ersten COVID-19-Fall. Wenige Tage zuvor hatte die Regierung bereits den Lockdown eingeleitet, der bis heute anhält: Grenzschließung, Schließung aller Schulen und Hochschulen, Non-Food-Läden und Einkaufszentren, die Einstellung des öffentlichen und privaten Verkehrs sowie eine nächtliche Ausgangssperre (19.00 - 6.30 Uhr). Die Regierung empfahl den Arbeitgebern und ihren Mitarbeiter_innen, zu Hause zu arbeiten. Ausgenommen sind Beschäftigte in der öffentlichen Grundversorgung, unter anderem im Gesundheitswesen, im Energie- und Wassersektor und der Müllabfuhr.
Genau wie der Rest der Welt hat die ugandische Wirtschaft massiv unter dem Lockdown und der Pandemie gelitten. Der Großteil des Privatsektors musste Arbeitnehmende entlassen. Einige gingen in den unbezahlten Urlaub, andere nahmen Gehaltskürzungen hin. Am stärksten betroffen ist die Hotel- und Tourismusbranche, gefolgt von der informellen Wirtschaft und kleinen und mittleren Unternehmen. Während etwa das Nachbarland Kenia eine Reihe von Fiskal- und Geldpolitiken eingeführt hat, um die wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 abzufedern, muss Uganda noch fiskalpolitische Maßnahmen einführen, insbesondere um den Arbeitnehmenden zu helfen. Ernährungsunsicherheit und Inflation verschärfen die Notlage der Arbeitnehmenden zusätzlich. Ihr Einkommen wenden sie größtenteils für den Kauf von Lebensmitteln auf.
Steuern zahlen, um zu arbeiten
Die Umstellung auf Homeoffice war eine der größten Herausforderungen für Uganda. Die Internetdurchdringung liegt nur bei 14 Prozent, zudem fallen Kosten für die Social Media Steuer an, die auch die Kommunikation via Whatsapp betrifft. Die Regierung und die Arbeitgebenden übernehmen bisher keine Kosten für die Zugänge zum Internet, Netzwerken oder Software. Die finanziellen Notlagen wirken sich auch auf familiäre Unterstützungsnetzwerke aus, vergrößern Abhängigkeiten und belasten soziale Beziehungen.
Gewerkschaftsreaktionen: öffentliche Verwaltung und Grundversorgung
Die Generalsekretärin der Uganda Public Employees Workers Union (UPEU), Jolly Aripa Kirabo, bestätigt die finanziellen Schwierigkeiten, die mit Homeoffice einhergehen. Die Gewerkschaft organisiert Arbeitnehmende im Wassersektor. Die Arbeitnehmenden, die nicht im Homeoffice sondern vor Ort die Grundversorgung sichern, seien angesichts der unzureichenden Schutzausrüstung einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Sie müssen mit der Bevölkerung interagieren, um etwa die Wasserversorgung im Kampf gegen die Pandemie zu gewährleisten. Kirabo bemerkt aber auch positiv, dass das das Bewusstsein für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zunimmt, da Arbeitgeber gezwungen waren, den Zugang zu Wasser und Seife für ihre Mitarbeitenden zu ermöglichen. Die Gewerkschaft schulte ihre Mitglieder durch virtuelle Sensibilisierungstrainings zu Gesundheit und Sicherheit zu Hause und an ihren Arbeitsplätzen.
Herausforderung: Home Office und Sozialer Dialog
Auch die Lokalverwaltung stand vor der Herausforderung ‚Homeoffice‘, berichtet Hassan Mudiba Lwabayi, Generalsekretär der Gewerkschaft für lokale Verwaltungsbeamte, der Uganda Local government and Allied Workers Union (ULGAWU). Es fehle an wirksamen Standardverfahren für die Durchführung virtueller Sitzungen und die Arbeitnehmenden haben Schwierigkeiten ihre Arbeit und Meetings in den digitalen Raum zu übertragen. Die Gewerkschaft schickte Emails an lokale Verwaltungsbehörden, um die besonderen Herausforderungen und daraus abgeleiteten Forderungen der Arbeitnehmenden im Umgang mit der Pandemie zu vermitteln. Eine Antwort blieb aus. „Dies macht es schwierig, in dieser herausfordernden Zeit einen sozialen Dialog zu führen,“ so Lwabayi. Von der Regierung fordere die Gewerkschaft eine Gefahrenzulage und Entschädigungszahlungen im Falle einer Infektion und im Todesfall. Noch wichtiger sei vorbeugend der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.
Gesundheitsarbeiter_innen drohen mit Streik
Die Beschäftigten im Gesundheitssektor hatten ihre eigenen Herausforderungen. „Wir haben Gesundheitspersonal, das aufgrund unzureichender Schutzkleidung und ungleichen Zulagen droht, seine Arbeit niederzulegen.“ so Sanya Aggrey, Generalsekretär der Uganda Medical and Health Workers Union. Er ist zudem besorgt darüber, dass 13 Gesundheitsarbeiter_inenn bereits positiv auf das Virus getestet wurden. Die Gewerkschaft drängt auf die Bereitstellung von Schutzkleidung, die allen Personen, die sich mit Verdachtsfällen befassen und Proben entnehmen, zur Verfügung gestellt werden.
Die Lektion sei, so Dr. Ekwaro A. Obuku, Mitglied der Uganda Medical Association (UMA), unsere soziale Infrastruktur stärken, um Ernährung, Gesundheit und Bildung gewährleisten zu können.
Mindestlohn und Krankenversicherung fehlt
Der nationale Gewerkschaftsdachverband (NOTU – National Organization of Trade Union) fordert nun endlich den ersehnten Mindestlohn einzuführen. Der Generalvorsitzende, Usher Wilson Owere, meint, die Covid-19-Pandemie müsse nun Anlass sein, dass politische Verantwortliche die Einführung eines Mindestlohns für alle Arbeitnehmenden im Land beschleunigen.
Gut sei Owere zufolge, dass die Pandemie ineffiziente Regierungsstrukturen, insbesondere im Gesundheitssektor offenlegte. Es zeige sich, wo wirksame und praktikable Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge fehlten. Ein nationales Krankenversicherungssystem hätte die Situation verbessern können. Der Vorschlag dazu wurde von Gewerkschaften im letzten Jahr abgelehnt. Die finanzielle Last hätte die Arbeitnehmenden ungleich stärker belastet als Arbeitgebende. Die Abgeordnete der Arbeitnehmenden, Margaret Namubiru Rwabushaija, erklärte dazu, die Regierung könne die Bürger_innen nicht überzeugen, Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten, solange bestehende Gesundheitszentren baufällig seien und nicht mal wesentliche Medikamente zur Verfügung stünden (1).
Kein business as usual
Dr. Everline Aketch ist die subregionale Sekretärin bei Public Services International (2) und für die englischsprachigen Länder in Ost- und Westafrika zuständig. Ihr Fazit: „Die aktuelle Pandemie hat der Welt gezeigt, dass die neoliberale Politik der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen nicht funktioniert. Es sind die öffentlichen Bediensteten, die bei der Bekämpfung dieser Pandemie eine Vorreiterrolle gespielt haben, sei es im Gesundheitssektor, in der Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft. Die Regierung von Uganda und andere Regierungen auf der ganzen Welt müssen die Vorzugsbehandlungen für Multinationale Konzerne und den Privatsektor etwa mit im Hinblick auf Steuervorteile überdenken und diese Gelder für den Aufbau eines starken öffentlichen Sektors verwenden, der in der Lage ist, unvorhergesehene Krisen abzufedern. Es kann kein business as usual geben, indem wir Profit über Menschen stellen!“
Der Autor Stephen Ouma Bwire ist als Journalist in Kampala, Uganda tätig und Generalsekretär der Uganda Journalists Union.
Übersetzung: Nord-Süd-Netz
Bild:
National Organisation of Trade Unions (NOTU) Generalvorsitzender Usher Wilson Owere (in der Mitte mit Anzug) setzt sich bei der Nation Media Group Limited (NMGL) gegen die Entlassung von Beschäftigten bei Monitor Newspaper, NTV, KFM und Dembe radio stations ein. Anstatt der Kündigung konnte eine Weiterbeschäftigung mit Lohnkürzungen erreicht werden.
(1) Derzeit gibt es fünf Abgeordnete der Arbeitnehmenden im Parlament. Ebenso ist festgelegt, dass u.a. junge Menschen und behinderte Menschen, aber auch Streitkräfte durch eine feste Anzahl von Abgeordneten im Parlament vertreten sind.
(2) Public Services International (PSI) ist der globale Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienstleistungssektor. In ihm sind rund 700 nationale Gewerkschaften aus 154 Länder zusammengeschlossen. Damit vertritt PSI 30 Millionen Mitglieder.