
Just Transition - Der Kommentar: Wir sind stärker, wenn wir uns zusammentun
Zwei Empfehlungen für Just Transition von Samantha Smith. Sie leitet das internationale Just Transition Centre.
Hitzewellen, Dürren und extreme Wetterereignisse nehmen zu und die Gesellschaft fordert Klimaschutz. Die Einsicht auch in der Arbeiterbewegung wächst: Wenn der Erderhitzung ernsthaft etwas entgegengesetzt werden soll, braucht es einen tiefgreifenden und zugleich raschen wirtschaftlichen und sektoralen Wandel. Diese Transformationen ist möglich. Und: Sie kann gerecht sein.
Für alle Sektoren – beispielsweise Energieversorgung, Schwerindustrie, Luftfahrt, Gebäudebereich oder Verkehr – gibt es emissionsfreie oder zumindest -arme Technologien und das entsprechende Know how. Entscheidend ist aber: Der Wandel muss die Menschen mitnehmen, er darf niemanden zurücklassen. Die Gewerkschaften wissen, was Menschen in der zunehmend zersplitterten und ungleichen Welt Sicherheit geben kann: menschenwürdige Arbeitsplätze, sozialer Schutz, hochwertige öffentliche Dienstleistungen sowie faire Steuern und Investitionen.
Für all das gibt es einen Begriff: Just Transition. Just Transition verbindet Klimaschutzambitionen im sozialen Dialog von Arbeitnehmenden, ihren Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Regierungen mit ernstzunehmenden Plänen für menschenwürdige Arbeitsplätze, regionale Neuentwicklung und soziale Sicherheit.
Die Gewerkschaftsbewegung hat in der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und in globalen Klimaverhandlungen für Just Transition gekämpft. Und an allen möglichen Orten zeigen Gewerkschaften: Just Transition funktioniert vor Ort. Wo Gewerkschaften zusammen mit anderen am Tisch sitzen, macht der Klimaschutz Fortschritte – in Kanada, in Deutschland, in den Niederlanden, auch in Neuseeland, Schottland, Spanien. Der Schlüssel, um sicherzustellen, dass neue Jobs auch gute Jobs sind, heißt Mitbestimmung.
Um voran zu kommen haben der Internationale Gewerkschaftsbund und der Europäische Gewerkschaftsbund 2016 das Just Transition Centre ins Leben gerufen. Das Zentrum hilft Gewerkschaften, verbindliche Klimaschutzpläne für ihre Mitglieder zu erarbeiten, ganz praktisch. Etwa wenn es um die Frage geht, wie sich ein sozialer Dialog starten lässt, an dessen Ende Tarifverträge, Gesetze oder Verordnungen stehen.
Bisher stammen die meisten Beispiele für Just Transition aus Ländern und Gewerkschaften im globalen Norden. Aber jetzt entwickeln Gewerkschaften auch in Argentinien, Barbados, Brasilien, Kolumbien, Indien, Indonesien, den Philippinen oder in Kenia, Nigeria und Südafrika ihre eigenen Konzepte für den gerechten Übergang.
Trotzdem bleibt die Frage: Wie kann die globale Arbeiterbewegung sicherstellen, dass der Wandel für alle Arbeitnehmenden in jedem Land gerecht wird? Zwei Empfehlungen:
Die erste richtet sich an Gewerkschaften im globalen Norden, in den wohlhabenderen Ländern. Am besten ist es, sich mit jenen Gewerkschaften auszutauschen, die schon Erfahrung mit Just Transition haben, Studienreisen über Grenzen hinweg zu machen und Schulungen zu organisieren. Für sozial gerechte grüne Jobs lassen sich Solidaritäts- aber auch Pensionsfonds nutzen.
Eine zweite Empfehlung lautet, die Mitbestimmung zu sichern, um die multinationalen Unternehmen im globalen Norden für die Umsetzung von Just Transition in ihren Lieferketten in die Pflicht zu nehmen. Die Mitbestimmungsgremien – Betriebsräte, Europäische Betriebsräte, Konzernbetriebsräte, Aufsichtsräte – müssen genutzt werden, um das globale Handeln dieser Unternehmen zu beeinflussen. Der Kampf für menschenwürdige Arbeitsplätze und nachhaltige Beschaffungsstandards in den Unternehmen ist ein guter Ausgangspunkt für Just Transition.
Auch die globalen Gewerkschaftsverbände sind ein wichtiger Treiber für Just Transition über Grenzen und Sektoren hinweg. Insbesondere Globale Rahmenabkommen (Global Framework Agreements, kurz: GFA) können eine Möglichkeit sein, Just Transition innerhalb der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens voranzutreiben. Es gibt bereits einige Beispiele für gerechte Übergangs- und Klimaschutzklauseln in solchen Agreements, vor allem aus dem Energiesektor. Die besten bekennen sich zur Agenda der ILO für menschenwürdige Arbeit und verpflichten sich sowohl zur Mitbestimmung bei der Planung des Übergangs als auch zur Bindung, Umschulung und Wiedereingliederung von Arbeitnehmenden.
In der Arbeiter_innenbewegung sind wir stärker, wenn wir uns zusammentun. Dank der jahrzehntelangen Bemühungen von Gewerkschafter_innen verfügen wir bereits über globale Rahmenbedingungen, den Wandel gerecht zu gestalten, und ebenso über die dafür notwendigen Instrumente, Beispiele und die internationale Solidarität und Zusammenarbeit.
Kommentatorin: Samantha Smith ist Rechtsanwältin und Direktorin des Just Transition Centre, einer Initiative des Internationalen Gewerkschaftsbundes und seiner Partner. Das Just Transition Centre legt zunächst Wert auf Peer-to-Peer-Lernen zwischen Gewerkschaften, bietet jedoch auch Fallstudien und Videos an. Durch seine internationalen Netzwerke und Kooperationen kann es Gewerkschaften dabei unterstützen, multinationale Arbeitgeber sowie Regierungen auf verschiedenen Ebenen an den Tisch zu bringen.
Übersetzung: Hanna Gersmann
Dezember 2019