
Aus den Projekten - "Die Stimmung ist aufgeheizt, teils gewalttätig"
Andreas Behn, bislang Journalist, wird ab Mai 2019 in Brasilien das Regionalbüro des DGB-Bildungswerk BUND leiten. Denn er habe das Bedürfnis, sich »direkter an politischen und sozialen Fragen« des Landes zu beteiligen. Ein Gespräch über seine Pläne.
NORD I SÜD news: Der Rechtsextremist Jair Bolsonaro regiert seit fast vier Monaten in Brasilien, der fünftgrößten Nation der Welt – was muss man über ihn unbedingt wissen?
Andreas Behn: Der neue Präsident ist ein Rechtsradikaler. Er hat bereits die Waffengesetze gelockert, eine Rentenreform mit herben Einschnitten insbesondere für ärmere Menschen auf den Weg gebracht und mittels Dekret den Handlungsspielraum von Gewerkschaften eingeschränkt. Sein Diskurs richtet sich gegen Minderheiten, ist rassistisch und frauenfeindlich. Umweltschutz und Klimapolitik halten er und die meisten seiner Minister für überflüssig. Gemeinsam mit seinen drei Söhnen diffamiert er politische Gegner und Medien in sozialen Netzwerken. Brasilien ist polarisiert. Die Stimmung ist aufgeheizt, teilweise auch richtig gewalttätig.
Warum wollen Sie das jetzt nicht mehr wie früher als Journalist begleiten, sondern werden Leiter des Regionalbüros des DGB-Bildungswerks in Brasilien?
Ehrlich gesagt vermisse ich schon jetzt das Schreiben. Aber manchmal ist Journalismus auch oberflächlich. Schon einige Zeit spüre ich das Bedürfnis, mich direkter an politischen und sozialen Fragen des Landes zu beteiligen, in dem ich seit langem lebe. Gewerkschaftliche Arbeit ist – insbesondere bei dem Gegenwind – sehr wichtig. Ich habe große Lust, mit unseren Partnerorganisationen vor Ort zusammen zu arbeiten. Die entscheidende Frage ist, was der Rechtsruck auf dem ganzen Kontinent für die gewerkschaftliche Arbeit bedeutet.
Die Finanzwelt bejubelt Bolsonaro, weil er als unternehmerfreundlich gilt. Was können Gewerkschaften momentan denn ausrichten?
In Brasilien ging ein Großteil ihrer Finanzmittel im Rahmen einer Arbeitsrechtsreform der Vorgängerregierung verloren. Jetzt sind sie den Anfeindungen des Bolsonaro-Clans ausgesetzt. Sie müssen sich nun erst einmal berappeln, ihren Handlungsspielraum und eine Strategie ausloten. Mittelfristig werden sie aber bestimmt eine wichtige Rolle in der Opposition spielen, da sie schon lange gut organisiert sind und trotz Rückschlägen über eine breite Basis verfügen.
Ihre Idee für eine Strategie?
Gelingt es den Gewerkschaften, einen konstruktiven Dialog beispielsweise mit den sozialen Bewegungen aufzubauen und ihre politische Nähe zur langjährigen Regierungspartei PT, der Arbeiterpartei, in den Hintergrund zu stellen, werden sie ein lautes Sprachrohr der Arbeitnehmenden sein, die unter der angekündigten neoliberalen Wirtschaftspolitik leiden werden.
Bolsonaro hat aber allen oppositionellen Kräften den Kampf angesagt – was erwarten Sie?
Ich denke, dass unser Büro als Vertretung einer deutschen Organisation erst einmal nicht Ziel seiner Anfeindungen wird. Wir sehen uns nicht als eigenständiger politischer Akteur, auch wenn wir auf Veranstaltungen dabei sind und natürlich unsere Meinung sagen. Unsere Rolle besteht darin, die Partner mit finanziellen Mitteln und kreativer Zusammenarbeit zu stärken und sie zu ermutigen, Vertreter_innen des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften nach Brasilien einzuladen. Deren Präsenz wäre für die gebeutelten Gewerkschafter_innen in Brasilien ein wichtiges solidarisches Zeichen.
Was wünschen Sie sich von deutschen Gewerkschaften?
In Brasilien, in São Paulo besonders, gibt es viele deutsche Unternehmen, die sich vor Ort gerne die unzureichenden Arbeitsrechte zu eigen machen. Viele Gewerkschafter_innen haben schon sehr deutlich Stellung gegen deutsche Unternehmer bezogen, die die Regierung Bolsonaro ungeachtet ihrer rechtsextremen Ausrichtung begrüßten. Ich hoffe, dass Gewerkschaften Bolsonaro und seiner neoliberalen Wirtschaftsriege grundsätzlich signalisieren, dass international sehr genau darauf geachtet wird, was in seinem Land vor sich geht.
Was werden Sie anderes machen als ihr Vorgänger Niklaas Hofmann?
Erst einmal gar nichts, denn Niklaas hat hervorragende Arbeit geleistet. Er hat damals das Büro mit aufgebaut und ein sehr fittes Team im Regionalbüro zusammengestellt. Vielleicht werde ich als Medienmensch mehr Gewicht auf Veröffentlichungen zu unserer Arbeit legen und die Kommunikation generell pushen, auch mit den Gewerkschaften in Deutschland.
Und woran messen Sie in fünf Jahren Ihren Erfolg?
Ich möchte meinem/r Nachfolger_in ein gut funktionierendes Büro mit einem gutgelaunten Team übergeben, möchte traurig darüber sein, dann nicht mehr im professionellen Dialog mit den Partnern zu stehen, und möchte vor allem sagen können, dass die Arbeit des Bildungswerks in Lateinamerika dazu beigetragen hat, gewerkschaftliche Anliegen sichtbarer zu machen und durchzusetzen.
Andreas Behn, 55 Jahre, leitet künftig in Brasilien das Regionalbüro des DGB-Bildungswerk BUND. Zuvor hat er mehr als sechs Jahre in Rio de Janeiro als Korrespondent gearbeitet, unter anderem für die Berliner Tageszeitung taz, die Presseagentur epd und für den Nachrichtenpool Lateinamerika (NPLA), auch für die Nord-Süd-News. 2005 ging er als Fachkraft des Evangelischen Entwicklungsdienstes EED im Auftrag des weltweiten Netzwerks freier Radios (Amarc) nach Brasilien.