Arbeit und Wirtschaft im Globalen Süden: Digitalisierung kann neue Möglichkeiten schaffen
28.10.2021 I Vereinfachte und gekürzte Fassung des Originalartikels
Mehr Handel, mehr Effizienz, mehr Transparenz: Wie alle von den neuen Möglichkeiten profitieren können
von Sven Hilbig
Sven Hilbig arbeitet bei der Organisation Brot für die Welt. In seinem Artikel beschreibt er die Chancen und die Gefahren von Digitalisierung für den Globalen Süden. Er tritt dafür ein, dass die Gewerkschaften bei den Bedingungen für Digitalisierung stärker mitbestimmen.
Digitalisierung schreitet voran
Seit den 1990er-Jahren hat sich die Arbeit in vielen Bereichen stark verändert. Computer und Roboter haben die Büros und die Produktionshallen erreicht. Das hat die Arbeit in vielen Bereichen leichter gemacht.
Vor allem wurde die Zusammenarbeit auch über große Entfernungen leichter. Deshalb hofften viele Menschen, dass Digitalisierung bessere Chancen für die Länder im Globalen Süden bietet. Durch digitalen Handel und die digitale Vergabe von Aufträgen sind tatsächlich viele neue Arbeitsplätze entstanden. Allerdings bringt die digitale Arbeit auch Nachteile mit sich. Deshalb muss die Politik die Arbeitsbedingungen für digitale Arbeit vorgeben. Die Gewerkschaften müssen die Politik dabei beraten und begleiten.
Chancen und Risiken: Neue Arbeitsplätze auf digitalen Plattformen
Digitalisierung bietet Menschen weltweit Arbeitsmöglichkeiten. Voraussetzung ist ein Internetzugang und die entsprechenden Geräte.
Besonders einfach ist der Weg über digitale Plattformen.
Hier sind es vor allem zwei Arbeitsmodelle, die neu entstanden sind und die den Arbeitsmarkt verändern:
Plattformen für digitale Arbeiten:
Auftraggeber stellen dort ihre Aufträge ein, zum Beispiel Umfragen durchführen, Bilder bearbeiten, Inhalte von Social-Media-Kanälen kontrollieren und ähnliche Tätigkeiten. Die Plattformarbeiter greifen auf die Aufträge zu und bearbeiten sie direkt auf der Plattform. Der Begriff dafür ist „Crowdworking“. Die Auftraggeber geben ihre Aufträge an eine unbekannte „Crowd“ heraus, also eine große Menge an Menschen.
Plattformen für die Vermittlung von Dienstleistungen:
Lieferdienste wie zum Beispiel Lieferando nutzen ebenfalls digitale Plattformen. Die dort angemeldeten Arbeitnehmer bekommen die Aufträge ebenfalls auf einer digitalen Plattform angezeigt. Sie klicken den Auftrag an und führen ihn aus. Auch andere Dienstleistungen werden auf digitalen Plattformen vermittelt, zum Beispiel Arbeiten im Handwerk oder im Haushalt. Bei manchen Plattform-Arbeitgebern sind die Arbeiter fest angestellt, bei anderen sind sie selbstständig.
Die Hoffnung war groß, mit Plattformarbeit die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Das galt vor allem für Länder wie Indien oder die Philippinen, in denen nur wenige Menschen in festen Arbeitsverhältnissen arbeiten.
Aber bei beiden Arten der Plattformarbeit ist die Konkurrenz groß. Auftraggeber haben dadurch die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen in ihrem Sinn zu gestalten.
Untersuchungen zeigen:
- Die Auftragslage ist unsicher.
- Die Löhne sind niedrig.
- Der Arbeitsdruck ist hoch.
- Die Arbeiter können ständig überwacht werden.
- Auch bei hoher Bildung gibt es keine Aussicht auf bessere Arbeitsverhältnisse.
- Nur wenige Plattformarbeiter sind krankenversichert oder rentenversichert.
Chancen und Risiken: Digitaler Handel
Kaufen und verkaufen geht heute schnell und einfach im Internet. Das gilt für die Produzenten genauso wie für die Kunden. Auch Produzenten und Großhändler wickeln ihre Bestellungen und Lieferungen digital ab.
Für kleine Produzenten öffnen sich über den Internethandel neue Möglichkeiten. Sie können ihre Produkte breiter anbieten als vorher.
Die größten Vorteile durch den digitalen Handel haben aber die großen, internationalen Händler wie Amazon. Sie bestimmen schon allein durch ihre Größe und Kaufkraft die Preise und die Bedingungen am Markt. Kleine Produzenten können dem wenig entgegensetzen.
Aufgaben für Politik und Gewerkschaften
Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Risiken klein zu halten, braucht es weltweit gute Rahmenbedingungen. Die Politik muss diese Bedingungen schaffen. Das muss möglichst in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften geschehen.
Folgende Punkte sind dabei besonders wichtig:
Arbeitsschutz durchsetzen:
Für Plattformarbeiter müssen Regeln zu den Arbeitsbedingungen und zum Arbeitsschutz festgelegt werden. Konzerne müssen die Verantwortung für ihre Arbeitsplätze weltweit übernehmen. Dies muss auch für digitale Arbeitsplätze gelten.
Ein erster Schritt war die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes. Das Gesetz nimmt Konzerne in die Verantwortung. Konzerne und ihre Zulieferer müssen Arbeitsschutz und gesetzlich geregelte Arbeitsbedingungen weltweit einhalten. Das Lieferkettengesetz muss aber noch gestärkt und ausgeweitet werden.
Genossenschaftliche Plattformen unterstützen:
Plattformarbeit muss gute Arbeitsbedingungen bieten. Der Konkurrenzdruck darf die Löhne nicht immer stärker drücken. Gemeinsam von den Arbeitern betriebene, also genossenschaftliche Plattformen bieten bessere Bedingungen. Damit diese Plattformen sich gegen die großen Konzerne und Auftraggeber behaupten können, brauchen sie Unterstützung. Gewerkschaften können beim Aufbau solcher Plattformen helfen. Das geht zum Beispiel durch die Vermittlung von Wissen. Die Politik muss den gesetzlichen Rahmen schaffen. Und sie muss den Aufbau von gemeinschaftlich betriebenen Plattformen finanziell unterstützen.
Kleine Produzenten und regionale Märkte fördern:
Kleine Produzenten und Händler brauchen eigene digitale Märkte. Dafür brauchen sie Schutz durch gesetzliche Vorgaben. Zum Beispiel muss der Zugriff auf Daten durch internationale Konzerne eingeschränkt werden. Hier ist die Politik gefordert, faire Bedingungen für die kleinen Produzenten und Händler durchzusetzen.
Der Originalartikel erschien in der Broschüre, Transformation weltweit – für Gute Arbeit im digitalen und ökologischen Wandel.
Text in einfacher Sprache: Spaß am Lesen Verlag, Agentur Klar & Deutlich, https://klarunddeutlich.de/