Schuldenkrise in Ghana: >>Gewerkschaften erreichen deutlich bessere Bedingungen<<
02.05.2025 I Ghana steckt in der Schuldenkrise. Um da raus zu kommen, hat die Regierung Sparmaßnahmen ergriffen, die ärmere Menschen besonders treffen. Dann haben Gewerkschaften Druck gemacht. Nun seien zumindest die Renten gesichert, erklärt Expertin Kristina Rehbein.

NSN: Kristina Rehbein, vor gut zwei Jahren hat Ghana eine Umschuldung im G20 Schuldenrahmenwerk beantragt. Hat es die Schuldenkrise hinter sich?
Kristina Rehbein: Mit den meisten seiner Gläubiger, die in Frage kommen, hat es letztes Jahr einen Deal ausgehandelt. Das sind öffentliche bilaterale Geber, also andere Regierungen, und private Gläubiger, also Anleger. Wichtig ist, das Rahmenwerk ist keine Entschuldungsinitiative, sondern ein Forum für Gläubiger, die sich miteinander koordinieren. Die Schulden wurden so reduziert, dass nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ghana gerade unter die Schwelle eines hohen Überschuldungsrisikos rutscht. Das heißt aber auch, passiert jetzt ein wirtschaftlicher Schock, kann Ghana wieder in die Krise geraten.
Für die Menschen in Ghana ist die Schuldenkrise schlimmer oder sind es die IWF-Sparmaßnahmen, die Gläubiger fordern?
Kristina Rehbein: Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Eine Schuldenkrise kann zum Beispiel dazu führen, dass der Staat sehr hohe Zahlungen an Schuldendienst leisten muss. Diese Gelder fehlen dann für anderen Bereiche, also Investitionen in den Ausbau von Infrastruktur, Klimawandel, soziale Sicherung. In Ghana ist es durch die Umschuldung gelungen, den relativen Schuldendienst stark zu senken. Gleichzeitig begann die Regierung in Vorbereitung auf das IWF-Programm schon mit Austeritätsmaßnahmen, zum Beispiel erhöhte sie die Mehrwertsteuer von 2,5 Prozent auf 15 Prozent und kürzte im Gesundheitswesen. Um sozial negative Auswirkungen von solchen Maßnahmen aufzufangen, empfiehlt der IWF gezielte Sozialprogramme.
Wie sehen die aus?
Kristina Rehbein: Das sind Auszahlungen an besonders vulnerable Menschen. Die waren in Ghana allerdings sehr niedrig angesetzt. Die Weltbank prognostiziert, dass die Armut auch trotz der Programme deutlich ansteigen wird. Der Zeitraum ist aber noch zu kurz, um Auswirkungen schon zu bewerten.
Eine weitere Forderung der Gläubiger war, dass die Regierung ihre Schulden bei inländischen Banken verkleinert. Wie wirkt sich das aus?
Kristina Rehbein: Eigentlich haben Auslandsschulden mit Inlandsschulden nichts zu tun. Sie entstehen, wenn zum Beispiel inländische Banken in ghanaische Staatsanleihen oder Pensionsfonds investieren. Diese Forderungen als Voraussetzung für Verhandlungen mit ausländischen Gläubigern in die Umschuldung miteinzubeziehen ist fragwürdig, denn es werden damit nur inländische Ressourcen frei. Ausländische Gläubiger verlangen aber Dollar. Gleichzeitig schwächt es die heimische Wirtschaft. Denn wenn einheimische Banken Verluste haben, geben sie weniger Kredite für Unternehmen, die dann vielleicht Mitarbeiter*innen entlassen müssen.
Wie haben Gewerkschaften reagiert?
Kristina Rehbein: Als die Pensionsfonds in die Inlandsumschuldung einbezogen werden sollten, gab es
massiven Widerstand der Gewerkschaften und der Berufsverbände. Sie haben mit einem Generalstreik
gedroht. Infolgedessen sagte die Regierung zu, dass die Pensionsfonds ausgenommen werden. Später wurden sie zwar doch einbezogen, aber die Gewerkschaften erreichten deutlich bessere Bedingungen mit sehr geringen Vermögensverlusten.
Was beobachten Sie in anderen Ländern im Globalen Süden? Sind Schulden ein Thema für Gewerkschaften?
Kristina Rehbein: Das ist eine ganz spannende Entwicklung. In Sri Lanka zum Beispiel lief es ähnlich wie in Ghana, so dass die ausländischen Gläubiger eine Inlandsumschuldung forderten. Der Wert von Pensionsfonds wurde dadurch halbiert. Das betraf sowohl den öffentlichen Sektor als auch zum Beispiel Frauen in der Bekleidungsindustrie oder Teepflücker, die sowieso schon geringe Löhne kriegen. Das hat die Gewerkschaften stark auf den Plan gerufen.
Wie haben sie reagiert?
Kristina Rehbein: Sie verfassten Analysen, informierten die Öffentlichkeit, organisierten Proteste. Auch in Sambia, das ebenfalls unter dem G20 Rahmenwerk eine Umschuldung verhandelt hat, protestierten tausende Arbeiter*innen für höhere Schuldenerlasse. Gewerkschaften nehmen immer mehr die Funktion eines Wächters ein. Der Internationale Gewerkschaftsbund IGB hat letztes Jahr eine Studie vorgelegt, wie Schulden und IWF-Maßnahmen Gewerkschaften betreffen, und gezeigt, wie sie sich einbringen können.
Wie denn?
Kristina Rehbein: Gewerkschaften können sich international für faire Schuldenlösungen und Reformen bei Finanzinstitutionen einsetzen. National können sie mehr Beteiligung, Transparenz und den Schutz der Beschäftigten in der Schuldenpolitik durchsetzen.
Welche Reformen braucht es?
Kristina Rehbein: Im Gegensatz zu Privatschulden gibt es bei Staatsschulden keinen rechtlichen Rahmen, das heißt bei einer Insolvenz hängt alles davon ab, wie die Machtverhältnisse am Verhandlungstisch zwischen Gläubiger und Schuldner sind. Natürlich will der Gläubiger sein Geld wieder, das ist auch sein
legitimes Recht. Aber es muss in Einklang gebracht werden mit dem Überleben des Schuldners in Würde. Die Afrika Gruppe der Vereinten Nationen fordert deshalb, einen solchen rechtlichen Rahmen in der UN auszuhandeln.
Interviewerin: Leila van Rinsum
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