IN KÜRZE
Kurznachrichten aus Sorgearbeit weltweit, NORDSÜD NEWS 2024, Ausgabe 2
10.09.2024
Das Lieferkettengesetz ist eine Chance für Mitbestimmung
Drei Fragen an Christian Weis, Gewerkschaftssekretär im Bereich Betriebspolitik beim Vorstand der IG-Metall.
Wie könnte das Lieferkettengesetz (deutschen) Gewerkschafter*innen dabei helfen, sich für gute und nachhaltige Arbeitsbedingungen weltweit einzusetzen?
Das Gesetz bietet das erste Mal eine große Möglichkeit für die Betriebsräte, in dieser Debatte mitzuwirken. Denn bisher haben Fragen zu Lieferketten in deren Arbeit keine große Rolle gespielt. Es ging immer mehr um die Fragen nach den Unternehmens-, Standort- und Arbeitnehmer*inneninteressen.
Wie können Betriebsräte das Gesetz nutzen?
Mit dem neuen Lieferkettengesetz geht ein Informations- und Konsultationsanspruch einher, der die Betriebsräte beim konkreten Risikomanagement der Konzerne einbeziehen muss, zudem ist das Management nun verpflichtet, Auskunft über unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten zu geben. So können Betriebsräte in den Dialog mit dem Arbeitgeber treten.
Wieso sollten sich deutsche Betriebsräte für Nachhaltigkeit, bessere Arbeitsbedingungen im Globalen Süden und für eine Umsetzung des Lieferkettengesetzes interessieren?
Betriebsräte können ihrem Anspruch, bei Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, wie Digitalisierung mitzugestalten, nur gerecht werden, wenn sie starke Strukturen aufbauen – auch international. Das wissen sie längst: In einer Reihe großer Unternehmen wurden seit Jahrzehnten innerbetrieblich bereits Weltbetriebsräte aufgebaut und miteinander vernetzt. Es ist vertraglich geregelt, dass sie sich regelmäßig treffen und die Konzerne das finanzieren. Wir müssen gewerkschaftliche Solidarität neu definieren. Vor allem aber bekommen deutsche Betriebsräte über den regelmäßigen Austausch Probleme vor Ort mit, die ja auch auf die Zentrale zurückwirken. Das Lieferkettengesetz schließt hier die letzte Lücke, weil es eben auch die Zulieferer einbezieht.
Das Interview ist Teil des Projekts, Die globale sozial-ökologische Transformation – eine Veranstaltungsreihe zur Rolle der Gewerkschaften, der ver.di GPB und NELA (Next Economy Lab).
Hier geht es zur Langfassung des Interviews:
https://www.dgb-bildungswerk.de/gute-arbeit/wir-sind-auf-maximale-vernetzung-angewiesen
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Globaler Rechtsindex: Trend abwärts
2024 sind die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen Ägypten, Bangladesch, Belarus, Ecuador, Eswatini, Guatemala, Myanmar, die Philippinen, Tunesien und die Türkei. Besonders gefährlich ist die Situation für Gewerkschafter*innen: In Bangladesch, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Philippinen und Südkorea wurden 22 Menschen im Zusammenhang mit ihrem Engagement getötet. Die schlimmste Region der Welt für arbeitende Menschen war allerdings Nahost/Nordafrika. Das zeigt der aktuelle Globale Rechtsindex 2024, den der Internationale Gewerkschaftsbund veröffentlicht hat. Er liefert eine Übersicht über Arbeitnehmendenrechte in 151 Ländern. “Seit mittlerweile elf Jahren macht der Index eine rapide Verschlechterung der Arbeitnehmerrechte in jeder Region der Welt deutlich“, sagt IGB-Generalsekretär Luc Triangle. Auch im laufenden Jahr konnten sich nur zwei Länder verbessern: Rumänien und Brasilien. Dreizehn Länder dagegen schnitten schlechter ab als im Vorjahr.
Link: https://www.ituc-csi.org/ituc-global-rights-index-2024-de?lang=en
Kampf gegen Hitzestress
Extreme Hitze ist eine unsichtbare und lautlose Gefahr, die zu Krankheit, Hitzschlag oder sogar zum Tod führen kann. In ihrem aktuellen Bericht „Heat at work“ zeigen die Expert*innen der Internationalen Arbeitsorganisation, dass Arbeitnehmer*innen in Afrika, den arabischen Staaten sowie Asien und dem Pazifikraum am häufigsten übermäßiger Hitze ausgesetzt sind. Dort sind knapp 93 Prozent, 84 Prozent und 75 Prozent der Arbeitskräfte betroffen. Der weltweite Schnitt liegt bei 71 Prozent. Am schnellsten ändern sich die Arbeitsbedingungen in Europa und Zentralasien. Angesichts der Daten stellt der Internationale Gewerkschaftsbund die Rolle der Gewerkschaften bei Initiativen zum Schutz der Beschäftigten vor Hitzebelastung heraus. Er fordert Regierungen und Arbeitgeber auf, die Beschäftigtenvertretungen bei Gegenmaßnahmen einzubeziehen und so die Bekämpfung von Hitzestress im Rahmen des Sozialen Dialogs und Tarifverhandlungen zu verbessern.
Filmtipp: Urgewald
Hinter der Missachtung von Menschenrechten und der Zerstörung von Lebensraum stecken oft Großkonzerne und Banken, die auch das Geld von Sparer*innen und Anleger*innen nutzen. Die Menschenrechtsorganisation urgewald hat sich der Aufgabe verschrieben, die Finanzströme zu recherchieren und transparent zu machen. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort leistet sie Widerstand gegen Zerstörung und Vertreibung. In den 30 Jahren seit ihrer Gründung hat sie Zwangsumsiedlungen verhindert, Streumunitionskredite blockiert und den Bau eines Megastaudamms und eines Atomkraftwerks gestoppt. Heute betreut sie unter anderem die „Global Coal Exit List“, um Investoren zum Rückzug aus zerstörerischen Projekten zu bewegen. Das Dokfilmerpaar Peter und Karin Wejdling haben die Geschichte des Vereins nachgezeichnet, der längst zu einer wichtigen Stimme in der Umwelt- und Menschenrechtsszene geworden ist.
Der Film läuft zunächst auf Festivals, kann aber auch gebucht werden: filmbuchung@wfilm.de