Steuerpolitik Brasilien: Internationale Kooperation für Milliardärssteuer vorantreiben
02.05.2025 I Um den Kampf gegen Hunger und Armut zu finanzieren, braucht es Geld. Warum nicht diejenigen heranziehen, die vom herrschenden System profitieren? Eine Idee ist der Vorschlag von Brasiliens Präsident Lula für eine globale Reichensteuer.
Hunger und Armut seien nicht das Resultat von Ressourcenknappheit oder Naturkatastrophen, sie seien die Folge politischer Entscheidungen: So lautete die klare Ansage von Brasiliens Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva an die in Rio de Janeiros Kunstmuseum versammelten Staatsoberhäupter. Es war November 2024, Brasilien Gastgeber des G20-Gipfels. Und Lula machte deutlich, was im Fokus dieser Runde der einflussreichsten Länder der Welt stehen muss: die Bekämpfung sozialer Ungleichheit. Er schlug auch konkrete Maßnahmen vor, um dieses Ziel zu erreichen: „Internationale Steuerkooperation ist entscheidend, um Ungleichheiten zu verringern.“
Eine Besteuerung von zwei Prozent auf das Vermögen von Superreichen könnte laut Lula jährlich etwa 250 Milliarden US-Dollar einbringen. Brasiliens Initiative fand Erwähnung im Abschlusstext des Gipfels, ohne jedoch einen spezifischen Steuersatz zu nennen oder konkreter zu werden. Bereits im Juli 2024, ebenfalls in Rio de Janeiro, hatten sich die Finanzminister der G20 dazu verpflichtet, bei der Besteuerung von Milliardären „zusammenzuarbeiten“. Sie konnten sich jedoch nicht auf die Einführung einer globalen Steuer einigen.
Die Idee ist nicht neu: Der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman fordert seit vielen Jahren eine gerechtere Verteilung der Steuerlast, insbesondere durch die Einführung einer globalen Vermögenssteuer. In den letzten zehn Jahren konnte das reichste ein Prozent der Welt sein Vermögen um stolze 42 Billionen US-Dollar steigern. Gleichzeitig leiden weiterhin mehr als 700 Millionen Menschen an Hunger.
Für Lula, der aus einer bitterarmen Landarbeiterfamilie stammt, ist die Bekämpfung von Armut ein Herzensprojekt. Während des G20-Gipfels kündigte er die Gründung einer globalen Allianz gegen Hunger an. Diese soll bis 2030 rund 500 Millionen Menschen durch Geldtransferprogramme und Sozialschutzsysteme unterstützen.
Lulas Vorschläge zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein des Globalen Südens: Die Länder wollen sich nicht länger Vorgaben vom Westen machen lassen, sondern eine eigene Agenda entwickeln.
Auch in der Klimapolitik drängt seine Regierung auf hohe Summen, um die bereits entstandenen Klimaschäden zu beheben. Sie verweist auf die historische Verantwortung der Industrieländer.
Lulas Vorschläge zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein des Globalen Südens: Die Länder wollen sich nicht länger Vorgaben vom Westen machen lassen, sondern eine eigene Agenda entwickeln. Das nächste große Treffen der Staatschefs wird die Weltklimakonferenz im November in der Amazonas-Metropole Belém sein. Es ist zu erwarten, dass Lula auch hier das Thema Besteuerung wieder auf die Agenda setzen wird.
In Zeiten erheblicher politischer Umwälzungen bleibt allerdings völlig ungewiss, wie erfolgreich diese Initiativen sein können. Donald Trumps „America First“-Doktrin priorisiert nationale Interessen gegenüber multilateralen Abkommen und internationalen Kooperationen.
Rückendeckung erhält Lula auf jeden Fall von Gewerkschaften im eigenen Land. „Die Besteuerung der dreitausend Milliardäre ist eine konkrete Möglichkeit, den Hunger zu bekämpfen. Wir müssen mehr von denen verlangen, die mehr verdienen, und weniger von denen, die weniger verdienen“, erklärt Antonio Lisboa, Sekretär für Internationale Angelegenheiten des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT.
Ein Stimmungstest für die globale Besteuerungsinitiative könnte ein Gesetzesprojekt in Brasilien sein. Der von Präsident Lula eingebrachte Entwurf sieht vor, Steuerbefreiungen für Geringverdiener*innen auszuweiten. Dieses Vorhaben war eines seiner zentralen Wahlversprechen und soll die finanzielle Belastung armer Brasilianer*innen reduzieren. Um die dadurch entstehenden Mindereinnahmen auszugleichen, plant die Regierung, Spitzeneinkommen stärker zu besteuern. Für Lula ist die Initiative auch der Beginn des Wahlkampfes. Im Oktober 2026 stehen Wahlen an, und der Sozialdemokrat kämpft mit sinkenden Umfragewerten, insbesondere aufgrund steigender Lebensmittelpreise. Viele gehen davon aus, dass der 79-jährige ehemalige Gewerkschaftsführer dennoch erneut kandidieren wird – vor allem mangels alternativer Kandidat*innen im progressiven Lager.
Lula sieht sich erheblichem Gegenwind aus dem rechten Establishment und Teilen des Finanzsektors ausgesetzt. Obwohl Brasilien keinen übermächtigen Tech-Milliardär wie Elon Musk hat, gibt es dennoch politisch einflussstarke Superreiche, die Steuerinitiativen der Regierung als kommunistisches Hexenwerk brandmarken. „Im Kongress sitzen viele Unternehmer und Bankiers. Sie sind die Inhaber großer Vermögen und wollen keine Steuern zahlen“, sagt Sérgio Nobre, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes CUT. In Brasilien, einem der ungleichsten Länder der Welt, leben Millionen von Menschen in extremer Armut. Gleichzeitig ist es laut Forbes das Land mit den siebtmeisten Milliardären weltweit.
Autor: Niklas Franzen