Aus den Projekten in Brasilien: >>Frauen werden seit jeher unsichtbar gemacht.<<
02.05.2025 I Das Projekt des DGB Bildungswerk mit der CONTAR stärkt die Gleichstellung von Landarbeiterinnen. Maria Samara de Souza kämpft als Gewerkschafterin gegen Rassismus und Sexismus in der Landwirtschaft.
Als Maria Samara de Souza und ihre Kolleginnen sich für die Stelle als Traktorfahrerinnen bewarben, bekamen sie zu hören: „Männerarbeit!“ Auch die besser bezahlten Tätigkeiten als Bewässerer oder Vorarbeiter waren nicht für Frauen vorgesehen. De Souza stammt aus dem São Francisco-Tal im Bundesstaat Bahia, der Obstkammer Brasiliens. Bereits mit 18 Jahren begann sie, auf den riesigen Weintrauben-Plantagen zu arbeiten. Heute ist sie Gewerkschafterin und setzt sich dafür ein, dass Frauen auf dem Land nicht länger diskriminiert werden.
De Souza arbeitet für die CONTAR, die Konföderation der angestellten Landarbeiter*innen. Mehr als 600 Gewerkschaften sind in dem Dachverband organisiert, sie vertritt mehr als vier Millionen Landarbeiter*innen in ganz Brasilien. Kaffee, Zuckerrohr, Viehzucht, Kakao: Die meisten Agrarprodukte gehen ins Ausland. So auch ein Großteil der Trauben, die de Souza noch vor ein paar Jahren pflückte. In ihrer Heimat Bahia sind rund fünfzig Prozent der Erntearbeiter*innen gewerkschaftlich organisiert. Dennoch bleibt die Situation der Beschäftigten auf dem Land weiterhin problematisch.
Brasilien weist eine der höchsten Land- und Einkommenskonzentrationen in der ganzen Welt auf. Die extrem ungleiche Verteilung hat ihre Wurzeln im Kolonialismus, da bereits unter portugiesischer Herrschaft Großgrundbesitz etabliert wurde, der soziale Ungleichheit verfestigte. Bis heute hält diese Problematik an: Wenige Großgrundbesitzer*innen kontrollieren den Großteil des nutzbaren Landes, während Millionen Kleinbauern und Landlose kaum Zugang zu Land und Ressourcen haben.
>>Viele Frauen wissen heute, wie sie sich wehren können.<<
Soziale Bewegungen wie die Landlosenbewegung MST versuchen, sich durch Besetzungen Land anzueignen. Millionen Brasilianer*innen schuften wiederum für einen Hungerlohn auf den großen Landgütern. Immer wieder muss die Polizei Arbeiter*innen aus sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen befreien. Unter der Regierung von Ex-Präsident Jair Bolsonaro verschärfte sich die Situation weiter. Die rechtsradikale Regierung strich die Mittel für Inspektionen des Arbeitsministerium, führte einen regelmäßigen Feldzug gegen Gewerkschaften. Und es gibt noch weitere Probleme, historische.
„Frauen werden seit jeher unsichtbar gemacht“, sagt die 34-jährige de Souza. Landarbeiterinnen verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen, sind seltener in Führungspositionen und auf der Arbeit von Sexismus betroffen. Oft werde Frauen nicht zugetraut, Arbeit mit schweren Maschinen zu erledigen. „Und wenn die Frauen schwarz sind, erleben sie noch viel stärkere Diskriminierung.“ Brasilien, das als letztes Land Sklaverei abschaffte, ist trotz multiethnischer Gesellschaft stark von Rassismus geprägt. Schwarze haben eine geringere Lebenserwartung, schlechtere Bildungschancen, verdienen weniger.
Das zu ändern sei eine „historische Reparation“, meint de Souza. Mit Unterstützung des DBG Bildungswerks leitet sie ein Projekt, um Rassismus und Sexismus auf dem Land zu bekämpfen. Sie organisieren eine Ausbildung für Landarbeiterinnen. Die Frauen machen Seminare zu Themen wie Rassismus, Frauen- und Menschenrechten – meist mit externen Trainer*innen aus der Wissenschaft und sozialen Bewegungen. „Viele Frauen wissen anfangs überhaupt nicht, dass sie unterdrückt werden“, sagt de Souza. „Doch nach unserem Kurs, wissen sie, was falsch läuft.“ Und sie lernen, wie sie Widerstand leisten können, schaffen Netzwerke, bekommen Instrumente an die Hand.
Die Idee: Die Frauen, die die Kurse machen, tragen das Wissen zurück „an die Basis“. Sie sind Multiplikatorinnen. Das läuft so: In neu gegründeten Kommissionen auf regionaler Ebene und in Arbeitsgruppen tauschen die Landarbeiter*innen sich über Themen wie Sexismus und Rassismus aus. Sie einigen sich auf gemeinsame Ziele und entwickeln Aktionspläne. Konkrete Forderungen bringen sie dann in die Gewerkschaften ein und im Idealfall sind die Forderungen schließlich Bestandteil der nächsten Tarifverhandlungen im Betrieb.
Doch nicht nur am Arbeitsplatz sind Frauen und schwarze Brasilianer*innen systematischer Diskriminierung ausgesetzt. „Auch in der Gewerkschaft“, meint de Souza. In der Tat sind die meisten Chefs der großen Gewerkschaften – auch die der linken – weiße Männer. In vielen Gewerkschaften herrscht eine Machokultur und lange Zeit konnten Frauen noch nicht einmal Mitglied werden.
Doch es scheint sich langsam etwas zu ändern.
Ein wichtiger Schritt: In der CONTAR wurde eine Quote durchgesetzt, 30 Prozent aller Posten müssen nun mit Frauen besetzt sein. Es sind kleine Schritte, aber de Souza glaubt: „Viele Frauen wissen heute, wie sie sich wehren können.“

Autor: Niklas Franzen ist Journalist, er hat lange in Brasilien gelebt und recherchiert dort auch heute immer wieder vor Ort.
Ansprechpartnerin für das Projekt im DGB Bildungswerk ist Flavia Nozue.