Arbeitnehmervertretung
Wer in Europa von Arbeitnehmervertretungen spricht, meint meist Betriebs- und Personalräte oder ähnliche Gremien auf betrieblicher und Unternehmensebene. Arbeitnehmervertretungen können aber auch international vernetzt tätig sein. Und in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern müssen VertreterInnen von Beschäftigten ganz andere Wege gehen.
Europäische und Welt-Betriebsräte
Auf europäischer Ebene haben sich mehr als 1000 Europäische Betriebsräte (EBR) konstituiert. Grundlage ist eine 1994 verabschiedete Richtlinie der Europäischen Union, die die Gründung von EBR in europaweit tätigen Unternehmen ermöglicht. Die Rechte der EBR auszubauen - das soll eines der Ziele einer derzeit diskutierten Revision der Richtlinie sein. Momentan haben die Europäischen Betriebsräte eher Konsultations-, weniger echte Mitbestimmungsrechte.
Einen anderen Weg, Arbeitnehmervertretungen in multinationalen Konzernen zu ermöglichen, ging man etwa bei Volkswagen. Auch auf Initiative von Gewerkschaften wie der IG Metall haben die ArbeitnehmervertreterInnen dort mit dem Konzern die Gründung eines Weltbetriebsrats vereinbart.
Inzwischen haben viele weitere Konzerne einen Weltbetriebsrat, den das Management als ernst zu nehmenden Gesprächspartner akzeptiert: das Maschinenbauunternehmen SKF, Danone, der frühere DaimlerChrysler-Konzern, Renault und Lego.
Arbeitnehmervertretungen individuell gestalten
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern müssen Arbeitnehmervertretungen individuelle Wege gehen - fest konstituierte Gremien existieren häufig nicht. In anderen Länder gibt es mittlerweile eine wenn auch kurze Tradition gemeinsamen Agierens. So arbeiten die Betriebsräte bei Mercedes Benz seit 1984 mit der Gewerkschaftlichen Betriebskommission bei Mercedes do Brasil zusammen. Solidarität ist unteilbar - das gilt auch hier. 2002 legten die brasilianischen Kollegen für eine halbe Stunde die Arbeit nieder, um ihre Kollegen bei DaimlerChrysler in Düsseldorf zu unterstützen.
Auch die Zuliefererbetriebe können sich auf diese Solidarität verlassen. Im Oktober 2003 wurden beim Zulieferer MAHLE in Sao Bernardo drei Arbeiter entlassen, weil sie Ausschuss verursacht hatten. Weil die dortige Geschäftsführung jede Verhandlung mit der Gewerkschaftlichen Betriebskommission verweigerte, trat die gesamte Belegschaft in den Streik. Nach acht Tagen Streik ging die Firma vor Gericht, ließ den Streik für illegal erklären und entließ die sechs Mitglieder der Betriebskommission.
Am 5. Dezember 2003 gab es erneut eine Protestkundgebung am Werk. Die GewerkschafterInnen bei DaimlerChrysler und VW drohten daraufhin, keine MAHLE-Teile mehr einzubauen, denn diese Firmen haben sich in einer Sozialcharta verpflichtet, nur Teile von Firmen zu verarbeiten, in denen die Grundrechte respektiert werden. Der Generalsekretär des Internationalen Metallarbeiter Verbandes protestierte schriftlich, Vertrauensleute und KollegInnen in Deutschland haben ebenfalls eine Erklärung unterschrieben und gefordert, dass die Entlassenen wieder eingestellt werden. Diese Proteste waren erfolgreich.
Nachdem die Verhandlungen wieder aufgenommen worden waren, haben sich zwei von drei der Arbeiter, die wegen Ausschuss entlassen worden waren, dafür entschieden, Aufhebungsverträge an zu nehmen und die Firma freiwillig zu verlassen. Der Dritte wurde wieder eingestellt. Bezüglich der Gewerkschaftskommission willigte die Firma ein, dass sie wieder eingesetzt wird. Dennoch haben auch hier zwei von sechs Mitgliedern einen Aufhebungsvertrag angenommen, die anderen vier Mitglieder wurden wieder in ihre Funktionen im Werk eingesetzt und eine Wahl für die zwei freien Posten wird durchgeführt werden.
Ein weiteres Beispiel: die gewerkschaftliche Vertretung der "Headload workers" - der Lastenträger und "Kulis" - im indischen Bundesstaat Kerala. Betriebe, geschweige denn Unternehmen, die sich mit einer Art Betriebsrat organisieren ließen, gibt es in diesem Sektor nicht. Trotzdem ist es verschiedenen gewerkschaftlichen Organisationen mit großem lokalen Engagement gelungen, viele der ArbeiterInnen zu organisieren und so auch Druck auf die staatlichen Stellen ausüben zu können. Seit den 1980er Jahren gelten jetzt Gesetze, die im Prinzip Arbeitnehmervertretungen "durch die Hintertür" schaffen: Sie ermöglichen etwa die Gründung von paritätisch besetzten, selbsverwalteten "Kommitees", die zum Beispiel Löhne und Sozialleistungen aushandeln.