
Honduras: Überstunden für lau

In Honduras werden Arbeitsrechte und Organisationsfreiheit immer wieder unterlaufen, Überstunden oft nicht bezahlt. Davon profitieren auch internationale Fruchtkonzerne wie Fyffes oder Dole. Dagegen wehrt sich Festagro, die Dachgewerkschaft im Agrarsektor.
Der grüne Pick-up von Tomás Membreño steht vor dem Gewerkschaftshaus in La Lima. In der Mittelstadt, eine halbe Fahrstunde von Honduras’ Industriemetropole San Pedro Sula entfernt, befindet sich die Zentrale der Festagro, der Dachgewerkschaft im Agrarsektor. Für die arbeitet Tomás Membreño. Der kräftige, kantige Mann von Anfang 50 ist gerade erst aus dem äußersten Süden des Landes zurückgekommen, aus der Region von Choluteca, wo sich das Gros der Melonenplantagen des Landes befindet. „Dort haben wir derzeit am meisten Konflikte. Die Unternehmen machen es uns so schwer wie möglich, die Arbeiter_innen zu organisieren“, sagt er. Früher hat er selbst in der Melonenernte des mittelamerikanischen Landes gearbeitet. Heute pendelt er zwischen Choluteca und La Lima und vertritt die Interessen der Arbeiter_innen.
Jetzt sitzt er neben seiner Kollegin Gloria García am Konferenztisch. Über den beiden ist das Logo der Gewerkschaft, die geballte, gereckte Faust über bestellten Feldern im Licht der aufgehenden Sonne zu sehen. „Derzeit werden immer mehr Arbeiter_innen zu Arbeitsagenturen outgesourct, damit sie sich nicht gewerkschaftlich organisieren können. Auch die Regelarbeitszeit von 44 Stunden steht oft nur auf dem Papier“, erklärt Membreño. Meistens werde im Akkord mit klaren Produktionsvorgaben geschuftet, würden Überstunden nicht gezahlt. „An Arbeitszeitmodelle, Gleitzeit oder die Reduzierung der Akkordvorgaben können wir gar nicht denken. Wir müssen erst stärker werden, um Forderungen zu stellen und durchsetzen zu können“, meint Membreño.
Von den miesen Arbeitsbedingungen profitieren auch internationale Unternehmen. Im Melonensektor dominiert der irische Fruchtkonzern Fyffes, im Bananensektor konkurriert das Unternehmen mit Dole und Chiquita. Auf diese einzuwirken versuchen“ Membreño und García, die für Umwelt- und Frauenrechte verantwortlich ist, über internationale Partner wie die „Make fruit Fair“-Kampagne oder den regionalen Zweig der Internationalen Gewerkschaft der Nahrungsmittelarbeiter_innen (Rel Uita).
„Von der Regierung in Honduras haben wir nichts zu erwarten“, sagt García. „Erst vor ein paar Wochen hat das Arbeitsministerium entschieden, dass Saisonarbeiter_innen in der Melonenernte kein Recht auf Sozialleistungen, Sozialversicherung und die Vertretung ihrer Interessen haben.“ Die Gewerkschafterin versucht gerade, eine Entschädigung und zusätzliche Gesundheitsleistungen für die Arbeiter_innen, die auf der Santa Rosa-Melonenplantage des irischen Fruchtkonzerns Fyffes mit Pestiziden vergiftet wurden, zu erwirken. Sie setzt dabei auf internationale Unterstützung. Internationale Expert_innen haben die Gewerkschafter_innen auch bei der Gründung der Festagro als Dachorganisation im Agrarsektor im April 2013 beraten. „Der Umbau war angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen auf den Plantagen überfällig. Als Branchengewerkschaft agieren wir nun in den vier Branchen: Bananen- und Melonenanbau sowie Zucker- und Palmölproduktion“, erklärt Membreño. Das hat Vorteile, denn für die Gründung einer Betriebsgewerkschaft müssen die Namen von 30 Arbeiter_innen beim Arbeitsministerium hinterlegt werden, für eine Filiale der Festagro hingegen nur 15.
Das hat die Gründung von zwei Festagro-Ablegern in Arbeitsagenturen erleichtert. Ein wichtiger Erfolg, denn eine Strategie der Unternehmen ist es, über das Outsourcing die Gründung von Gewerkschaften zu unterbinden. Zudem versuchen sie die großen Plantagen mit oft mehreren Tausend Arbeiter_innen in immer kleinere Einheiten aufzusplitten. Im Melonensektor ist das gang und gäbe. Im Bananensektor, der eher im Norden von Honduras rund um La Lima angesiedelt ist, sieht es hingegen etwas besser aus. Dort gibt es durchaus Zulieferer von Fruchtkonzernen wie Chiquita, Dole oder Fyffes, die sich an Mindestlöhne und Arbeitsrechte halten. „Ein Beispiel ist Arnold Bueso, der hier in der Region von La Lima eine Farm unterhält“, so García und Membreño.
Generell ist die Quote der organisierten Arbeiter_innen im Bananensektor etwas höher als in anderen Sektoren. Davon zeugt auch der mintfarbene zweistöckige Bau der Gewerkschaft der Tela RailRoad Company. So hieß die hundertprozentige Tochter des US-Fruchtkonzerns Chiquita, nach der sich die Gewerkschaft benannt hat. Nur einen Steinwurf von der Festagro-Zentrale steht der stattliche Bau, davor ist eine alte Dampflok mit dem Logo der Gewerkschaft ausgestellt. Ein Relikt aus erfolgreichen Gewerkschaftstagen. Daran will die Festagro wieder anknüpfen. „Dafür müssen wir Mitglieder gewinnen. Dann können wir irgendwann auch über Arbeitszeitmodelle verhandeln“, hofft Tomás Membreño. Derzeit sind nur zwei Prozent der Agrararbeiter_innen organisiert – Tendenz immerhin steigend.
Knut Henkel
Der Autor bereist als Journalist regelmäßig zentralamerikanische Länder wie Honduras.