Globale Wertschöpfungsketten
Das bekannteste und aufgrund der Arbeitsbedingungen erschreckendste Beispiel für globale Wertschöpfungsketten liefert die globale Bekleidungs- und Textilindustrie.
Bekleidung hat eine immer kürzere Lebens- und Nutzungszeit. Die Baumwolle kommt oft vom afrikanischen Kontinent, der Stoff wird gefärbt, verarbeitet und genäht in Südasien. Das fertige Kleidungsstück kauft die Kundschaft dann im Textildiscounter in Europa - und sie landet zum Textilrecycling wieder in Afrika oder Südasien: Die Produktion und der Vertrieb verschiedenster Waren findet seit langem global statt.
Um Arbeiter_innen weltweit vor Ausbeutung zu schützen, ihre Gesundheit zu sichern und eine umweltschonende Umsetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette aller Branchen zu gewährleisten, braucht es national und international geltende Regeln und Vereinbarungen.
Globale Rahmenabkommen
Ein erfolgreiches Instrument der Gewerkschaften sind die Globalen Rahmenabkommen (GRA). Seit Beginn der 2000er Jahre haben die globalen Gewerkschaftsverbände (GUF) erfolgreich über 120 Abkommen mit transnationalen Unternehmen (TNU) ausgehandelt. Darin werden Mindeststandards der Arbeitsbeziehungen in dem TNU, seiner Tochterunternehmen und vermehrt auch entlang der Lieferketten des Unternehmens bestimmt. Besonders IndustriALL Global Union, UNI Global Union und Building and Wood Workers‘ International (BWI) nutzen GRAs intensiv in ihrer Arbeit.
Problematisch erweist sich bislang die Durchsetzung der GRAs, da auch sie nur rechtlich nicht bindend sind und daher nicht eingeklagt werden können. Obwohl die Unternehmen sich für die Durchsetzung in ihren Betrieben und Lieferketten sorgen müssten, sind es zumeist Gewerkschafter_innen, die die Bekanntmachung und die Einhaltung des GRA in ihren Betrieben durchsetzen. Mehr zu dem Thema kann man hier nachlesen.
ACCORD Bangladesch
Am 15. März 2013 wurde das Abkommen Bangladesh ACCORD über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch von Gewerkschaften, Textilfirmen und Arbeitgeberverbänden unterzeichnet. Darunter sind die globalen Gewerkschaftsverbände IndustriALL Global Union und UNI Global Union mit ihren Mitgliedsorganisationen in Bangladesch sowie acht weitere nationale gewerkschaftliche Vereinigungen.
Die Initiative folgte unmittelbar auf das Fabrikunglück Rana Plaza in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten und rund 2.500 Verletzten. Das Abkommen ist rechtlich bindend zwischen den Textilfirmen und den Arbeitnehmervertretungen.
Mehr als 1.560 Unternehmen haben das Abkommen bisher unterzeichnet. Sie alle verpflichten sich dazu, die Arbeit in den Textilfabriken in Bangladesch sicherer zu machen und für mehr Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Arbeiter_innen zu sorgen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Information der Belegschaft. Die Unterzeichner des Abkommens sagen mit dem Abkommen zu, dass ihre Arbeiter_innen Verdachts- und Problemfälle melden können ohne mit Repressionen rechnen zu müssen. Gefährliche Arbeit können sie verweigern.
Das Abkommen gilt international als Erfolg. Die Finanzierung der Inspektion der Fabriken wurde mit rund elf Millionen US-Dollar sichergestellt. Etwa 1.600 Fabriken mit Millionen Beschäftigten wurden bisher auf Arbeitssicherheit hin geprüft. Eine Verlängerung des ACCORD über weitere fünf Jahre wird derzeit von der bangladeschischen Regierung blockiert (Stand 29.01.2019).
Das Textilbündnis
In Deutschland hat Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien ins Leben gerufen.
Auslöser waren damals unter anderem der schwerste Industrieunfall in der Geschichte Pakistans der Brand in der Fabrik von Ali Enterprises in Karatschi im September 2012, bei dem mindestens 289 Menschen starben und ebenfalls der verheerende Brand in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im April 2013. Mehr als 1.100 Menschen kamen dabei ums Leben, rund 2.500 Personen wurden verletzt.
Am Textilbündnis beteiligen sich derzeit rund 130 Vertreter von Gewerkschaften, aus der Wirtschaft, von Nichtregierungsorganisationen und der Bundesregierung. Gemeinsam wollen sie soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette erreichen – von der Rohstoffproduktion bis zur Entsorgung. Grundlage sind verbindliche Zielvereinbarungen, die regelmäßig überprüft werden. Die Mitglieder der Initiative decken heute rund die Hälfte des deutschen Textilmarktes ab. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG Metall sowie Nichtregierungsorganisation engagieren sich im Bündnis, um die Qualität der festgelegten Standards sicherzustellen.
Das Bündnis fördert zudem gute Beispiele in den Produktionsländern. Zum Beispiel ein von der Nichtregierungsorganisation terre des hommes initiiertes Projekt in Südindien gegen Kinderarbeit. Rund eine Viertel Million Mädchen werden zur Arbeit gezwungen, ein Großteil davon in der Textilindustrie.
Die Projektpartner wollen unter anderem einen Verhaltenskodex für Spinnereien erarbeiten und umsetzen. Zudem bringen sie Arbeitgeberverbände, Behörden und Politiker_innen zusammen, um die Lage der Kinder vor Ort zu verbessern.
Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte
Im Dezember 2016 hat das Bundeskabinett den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet.
Damit manifestiert die Bundesregierung ihre Absicht und ihre Erwartung an Unternehmen, dass die Menschenrechte entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette geachtet und gewahrt werden. Konkret werden Leitlinien für Firmen und Branchen entwickelt und WirtschaftsvertreterInnen gezielt unterstützt faire, globale Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Der DGB und Nichtregierungsorganisationen beurteilten den Aktionsplan 2016 als sehr unambitioniert und setzen in ihrer Halbzeitbilanz zur Umsetzung des NAP im Dezember 2018 eine noch schlechtere Bewertung an: „Statt weiterhin auf Dialogforen und die Suche nach Konsens mit der Wirtschaft zu setzen, erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie klare und verbindliche Vorgaben macht, die (abgestuft nach Größe und Sektor) für alle Unternehmen gelten."
Diese Empfehlung richtete im Oktober 2018 auch der Sozialausschuss der Vereinten Nationen an die Bundesregierung. Auch unabhängig vom Monitoring empfahl der VN-Ausschuss der Bundesrepublik, Unternehmen gesetzlich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten. Die Kritik scheint gefruchtet zu haben. Im Februar 2019 wurde bekannt, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen Entwurf für ein Wertschöpfungskettengesetz erarbeitet hat, welches auch ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten für Unternehmen enthält. Der DGB unterstützt den Gesetzentwurf und warnt – in die Zukunft gedacht - vor den Problemen in der Inspektion zur Einhaltung des Gesetzes.
Der Nationale Aktionsplan reiht sich ein in eine Reihe von Maßnahmen, die helfen sollen, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial und umweltverträglich zu gestalten. Zudem setzt die Bundesregierung mit dem Aktionsplan die Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen um, die im Jahr 2011 einstimmig im Menschenrechtsrat beschlossen wurden.