Aus den Projekten: Gemeinsam die Strukturen Stärken
Was macht das DGB Bildungswerk BUND eigentlich in Chittagong?
Chittagong ist ein Paradies für internationale Investoren. Entlang der Küste liegen ausgemusterte Schiffe, rostige Container und Metallgerippe. Der vier Millionen Einwohner_innen starke Ballungsraum im Süden von Bangladesch ist ein Zentrum der Abwrackindustrie. Auch ein Stahlwerk gibt es, Erdölraffinerien, Zementwerke und natürlich Textilfabriken und fischverarbeitende Industrie. Fast alle Unternehmen sind Teil globaler Wertschöpfungsketten. Die Region wird vermarktet als Sonderwirtschaftszone mit besonders günstigen Bedingungen für die Wirtschaftsunternehmen.
»Bei meinem Aufenthalt in Chittagong wurden mir des Öfteren Visitenkarten zugesteckt«, sagt Tanja Schindewolf. Vorwiegend von männlichen Geschäftsleuten, die unter anderem Textilmaschinen verkaufen wollten. Die Hoffnung auf den schnellen Gewinn ist einseitig: »Der Profit wird vor allem auf Kosten der lokalen Arbeiter_innen gemacht«, sagt die Expertin. Deren Arbeits- und Lebensbedingungen seien »extrem prekär«.
Tanja Schindewolf arbeitet beim DGB Bildungswerk BUND. Dort betreut sie die Projekte in Asien. Chittagong gehört seit 2016 dazu. Das Ziel ihrer Arbeit dort: den lokalen Partner, das Bangladesh Institute of Labour Studies (BILS), beim Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen vor Ort zu unterstützen – seit diesem Jahr mit einem besonderen Fokus auf junge und weibliche Gewerkschafter_innen und Arbeiter_innen. Zwar ist die Beschäftigungsquote von Frauen überdurchschnittlich hoch, die Gleichberechtigung wird seit den 1990er Jahren gefördert. Trotzdem verdienten männliche Arbeiter zuletzt über 40 Prozent mehr als Arbeiterinnen, vor allem, weil sie die besseren Jobs bekommen.
Der Internationale Währungsfonds bezeichnet Bangladesch als einen der nächsten Wachstumsmärkte. Vor allem die Hauptstadt Dhaka und Chittagong sind Boomregionen. Der Arbeitsmarkt ist jedoch überwiegend durch informelle Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet. Von NGOs und Gewerkschaften verbreitete Fotos zeigen, wie die Abwracker ohne Schutzkleidung in den giftigen Trümmern arbeiten, unter Wrackteilen, die sie beim Herabfallen erschlagen können. Näherinnen hocken in dunklen Hallen über Maschinen gebeugt, ohne sichere Fluchtwege. Der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Dhaka sorgte 2013 weltweit für Bestürzung – und lieferte einen weiteren Anstoß, internationale Konzerne auch in die Verantwortung für ihre Wertschöpfungsketten zu nehmen.
Doch Verbesserungen kommen nur mühsam voran. Das unabhängige ACCORD-Abkommen für mehr Sicherheit in der Textilindustrie soll nach einer Entscheidung des Obersten Gerichts vom Mai durch staatliche Inspektionen ersetzt werden, die nicht notwendigerweise die Interessen der Arbeitenden vertreten. Unklar ist auch, ob Bangladesch die sogenannten Hong Kong-Konventionen ratifiziert, die mehr Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Schiffabwrackung bringen sollen.
»Umso wichtiger ist es, die gewerkschaftlichen Strukturen zu stärken«, sagt Tanja Schindewolf. Weil Gewerkschaften lange verboten waren, ist die Bewegung bis heute relativ schwach und fragmentiert. Immer noch müssen ihre Mitglieder mit Repressionen rechnen – oder damit, dass ihnen Benefits versprochen werden, wenn sie aus den Gewerkschaften austreten.
Von 2016 bis 2018 hat das BILS in Chittagong eine gemeinsame Plattform von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft aufgebaut. Inzwischen wird dieses »Labour Solidarity Forum« von mindestens 15 Organisationen getragen und hat sich als wichtiger und auch von den lokalen Arbeitgebern anerkannter Raum etabliert. Außerdem bietet es großes Potenzial, um gemeinsam für Initiativen und Demonstrationen pro Arbeitsrechte zu mobilisieren. Mit Schulungen und Fortbildungen werden Arbeitende über ihre Rechte aufgeklärt. Das Zentrum leistet auch Öffentlichkeitsarbeit, die weitergebildeten Expert_innen geben konkrete (Rechts-)Beratung.
Mit einem zusätzlichen Solidaritätsbeitrag, den das DGB Bildungswerk BUND von Spender_innen zur Unterstützung der internationalen gewerkschaftlichen Solidaritätsarbeit erhielt, konnte das BILS zudem einen Beitrag zur Hilfe geflüchteter Rohingya aus Myanmar leisten, die sich nicht weit von Chittagong aufhalten. Das erleichterte den Dialog mit bangladeschischen Gewerkschaften und Arbeitenden. Denn auch diese sind nicht frei von Ressentiments gegenüber den Rohingya – nicht zuletzt, weil sie fürchten, dass die Arbeitgeber die ohnehin prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt ausnutzen und die Geflüchteten den einheimischen Arbeitskräften vorziehen – und zu noch schlechteren Bedingungen beschäftigen. Denn das würde das ohnehin schon niedrige Lohnniveau weiter senken.
Autorin: Beate Willms