
Wie rassistisch ist die Polizei?
Wochenlang gingen Menschen in den USA nach dem rassistischen Mord an dem Schwarzen George Floyd in Minneapolis durch vier Polizisten auf die Straße. Die Debatte um Polizeigewalt und Diskriminierung erreichte schnell auch Deutschland.
Bei den Berliner Protesten anlässlich des Mordes an Floyd habe die deutsche Polizei „eindrücklich in Erinnerung gerufen, dass auch hierzulande rassistische Polizeigewalt zum Alltag gehört”, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative Schwarze Menschen (ISD) in Deutschland. Am Rande der Demos in Berlin und Hamburg waren viele jungen People of Color teils mit Gewalt festgenommen worden. „Die fehlende Bereitschaft der Polizist_innen, offensichtlich unverhältnismäßig agierende Kolleg_innen zurückzuhalten und zu intervenieren, erschreckt”, so die ISD weiter.
Knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland stimmt derweil einer Umfrage zufolge der Äußerung der SPD-Chefin Saskia Esken zu, in den Reihen der Sicherheitskräfte hierzulande gebe es einen latenten Rassismus. 46 Prozent der Befragten gaben dies in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA Consulere im Auftrag der „Tagespost“ an. Nur 24 Prozent der Befragten widersprachen Esken. Die hatte für Äußerungen über einen „latenten Rassismus“ bei der Polizei heftige Kritik einstecken müssen.
Die Grünen plädieren für die Einrichtung eines Polizeibeauftragten, an den sich Bürger_innen wenden können, wenn ihnen Fehlverhalten oder strukturelle Missstände bei der Polizei aufgefallen sind. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag hatten vor allem Redner der Union erklärt, dies sei im Prinzip ein Misstrauensvotum gegen die Polizei. Die SPD verwies auf entsprechende Anlaufstellen in den Ländern.
Systematisch erfasst wird das Phänomen nicht. Anders als beispielsweise bei „Körperverletzung im Amt“ gibt es zu rassistischen Vorfällen und auch zum Racial Profiling bislang keine bundesweite Statistik. Bei der Bundespolizei hat es nach einem Bericht der DPA seit 2012 insgesamt nur 25 offizielle Rassismus-Verdachtsfälle gegeben. Davon seien 16 Fälle durch interne Hinweise bekanntgeworden.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Dietmar Schilff, wies Vorwürfe von latentem, strukturellem oder institutionalisiertem Rassismus bei der deutschen Polizei zurück. Wenn Polizisten rassistisch oder mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgingen, müsse das Konsequenzen haben. „Der Polizei und ihren Beschäftigten aber eine solche Grundhaltung vorzuhalten, ist abwegig und trägt populistische Züge.“
Weil das Land Berlin ein Gesetz gegen Diskriminierung unter anderem durch Polizeibeamte beschlossen hatte (siehe Seite 4) sprachen die Innenminister von CDU und CSU von einem „Generalverdacht gegen die Polizei“. Auf Drängen seiner Kollegen will der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) nun schriftlich klarstellen, dass das Berliner Gesetz nicht für auswärtige Kräfte gelten soll.