Urteil: LAG stärkt Rechte von Live-Ins
Pflegekräfte in einer 24-Stunden-Pflege zu Hause müssen auch während Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn vergütet werden. Das entschied nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Revisionsverfahren (AZ 21 Sa 1900/19). Eine Pflegerin aus Bulgarien, die über eine deutsche Agentur in die Betreuung einer 90-Jährigen Dame in deren Wohnung in einer Seniorenwohnanlage vermittelt worden war, hatte geklagt. Laut Arbeitsvertrag der Pflegerin sollte sie 30 Stunden wöchentlich arbeiten. Tatsächlich musste sie in der Wohnung der Seniorin übernachten, war von 6 Uhr morgens bis spätabends im Einsatz und musste sich auch nachts bereithalten. Mit ihrer Klage forderte sie eine Bezahlung für 24 Stunden täglich für mehrere Monate. „Bundesarbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben mit ihren Urteilen die Rechte hunderttausender Live-In-Betreuungskräfte in Deutschland gestärkt“, sagte dazu DGB Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Entscheidung zeige: „Es lohnt sich zu klagen.“ Damit Betreuungskräfte den Rechtsweg nicht ausschließlich individuell und unter hohem persönlichem Risiko beschreiten können, fordert der DGB ein Verbandsklagerecht. Die Koalition sei in der Pflicht, Betreuungskräfte von vornherein vor Ausbeutung und Arbeitsrechtsverstößen zu schützen, so Piel. Sie müsse praktikable, rechtskonforme Lösungen entwickeln, die nicht-pflegerische Bedarfe abdecken – zum Beispiel Arbeiten im Haushalt und andere Unterstützung und Betreuung. Gleichzeitig bedürfe es effektiver Vorkehrungen, damit Beschäftigte nicht in rechtlich fragwürdige Anstellungsmodelle wie Scheinselbstständigkeit gedrängt werden. Piel forderte, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs umzusetzen und Arbeitgeber zu verpflichten, ein manipulationssicheres, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem für alle Beschäftigten einzuführen. Auch Bereitschaftszeiten müssten damit lückenlos erfasst werden.