
Unversichert, verletzt, vor die Tür gesetzt
Die Bundesregierung setzt auf „freiwillige Krankenversicherung” durch die Arbeitgeber für ausländische Saisonarbeitskräfte. Wie wenig Verlass darauf ist, zeigt der Fall eines rumänischen Arbeiters auf einem Hof nahe Bonn.
Nach einem Arbeitsunfall wandte sich der Mann an die DGB Beratungsstelle Faire Mobilität. Er hatte ab Ende Februar 2021 auf einem Bauernhof in Bornheim Kartoffeln sortiert und später bei der Spargelernte geholfen. Dorthin geführt hatte ihn die Aussicht auf den deutschen Mindestlohn, von dem ihm dann allerdings 220 Euro monatlich für die Unterkunft und 180 Euro für den Transport aus Rumänien abgezogen wurden. Nach einem Monat hatte er einen Arbeitsunfall, ein Finger wurde schwer verletzt. Statt ihn sofort zum Arzt zu bringen, verband der Bauer den Finger. Nach drei Tagen war die Wunde entzündet, der Mann kam ins Krankenhaus, war 4 Wochen arbeitsunfähig. Der Bauer wollte ihn deshalb nicht mehr beschäftigen. Nur auf Intervention des Arztes durfte er noch ein paar Tage auf dem Bauernhof bleiben, so dass der Arzt die Verletzung weiter behandeln konnte. „Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wurde kontaktiert und wir haben den Kollegen und den Landwirt gemeinsam mit der IG BAU aufgesucht”, sagt Bernadette Petö von Faire Mobilität und dem EU-Projekt Network Fair Posting. Es stellte sich heraus, dass der Mitarbeiter nicht angemeldet und somit auch nicht unfallversichert war – ein klarer Gesetzesverstoß. In seinem Arbeitsvertrag hatte er wahrheitsgemäß angegeben, dass er auch in Rumänien nicht krankenversichert ist – schließlich verdient er dort als Tischler nur 300 Euro. „Der Landwirt sagte uns, er würde die Rechnung der Behandlung aus seiner Tasche bezahlen und Lohnfortzahlung leisten. Das tat er dann aber nicht”, sagt Petö. Dem Verletzten wurde der Lohn ohne die Lohnfortzahlung ausgezahlt – und er musste eine Erklärung unterschreiben, dass er keine weiteren Forderungen an den Bauern hat. „Danach durfte er nicht einmal auf dem Bauernhof bleiben, um auf den Bus zu warten, der ihn nach Rumänien brachte. Er wurde verletzt, mitten in einer Pandemie bei 5 Grad auf die Straße gesetzt, wo er fünf Stunden gewartet hatte, bevor ein Bus ihn nach Hause fuhr.“ Die IG BAU wird die Ansprüche des Mannes einklagen. Dass Beschäftigte, wie hier, nicht unfallversichert seien, sei eher selten, sagt Petö. Dass sie nicht krankenversichert sind, komme hingegen öfter vor – weil die Arbeitgeber hierzu nicht verpflichtet seien. Vor allem in der Pandemie könne dies zum Problem werden. „Corona ist nicht als Berufskrankheit anerkannt und es gilt nicht als Unfall. Wenn Beschäftigte sich anstecken, nicht arbeiten können – wer zahlt dann die Rechnung?” Wenn sie ins Krankenhaus müssen, würde letztlich versucht, die Rechnung bei Ihnen zu pfänden.
Entnommen aus Forum Migration Juni 2021