
Ukrainer_innen: Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Ein Teil von ihnen ist bereits wieder zurückgekehrt, trotzdem steigt die Zahl der insgesamt in Deutschland registrierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Welt am Sonntag berichtete, dass zwischen dem Überfall Russlands am 24. Februar und Mitte Mai bundesweit rund 717.000 Menschen aus der Ukraine im Ausländerzentralregister neu erfasst wurden. 81 Prozent von ihnen sind weiblich. Allerdings können die Registrierten später in ein anderes Land weitergereist oder in die Ukraine zurückgekehrt sein.
Die Registrierung ist Voraussetzung für den Bezug staatlicher Leistungen. Aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtete Menschen haben ab dem 1. Juni automatisch Anspruch auf Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II. Der Bundesrat billigte ein entsprechendes Gesetz, das eine Absprache zwischen dem Bund und den Ländern umsetzt. Bislang erhalten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine die niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Mit den regulären Sozialleistungen sind zudem auch Angebote zur Integration in den Arbeitsmarkt verbunden. Die Flüchtlinge aus der Ukraine wechseln damit schneller als früher üblich in den Bezug regulärer Sozialleistungen. Zudem trägt damit auch der Bund schneller einen höheren Anteil der Kosten für die Versorgung der Kriegsflüchtlinge.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, sie gehe davon aus, „dass die Mehrheit der Menschen wieder zurückkehren wird“. Ein Teil werde bleiben, wenn sie die Chance sähen, mit ihrer Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) räumt ihnen dabei gute Aussichten ein. Eine Studie des IW ergab, dass 93 Prozent der befragten geflohenen Ukrainer_innen Abitur oder studiert habe, 86 Prozent von ihnen waren vor der Flucht vor dem Krieg berufstätig. Die Kriegsflüchtlinge „bringen sehr gute Voraussetzungen mit, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, sagte Studienautor und IW-Ökonom Dirk Werner. Im Vergleich zu anderen Herkunftsländern sei die Zahl der Anträge zur Anerkennung der beruflichen Qualifikation hoch. In den Jahren 2016 bis 2020 stellten laut IW rund 6.200 Menschen aus der Ukraine einen Antrag auf Berufsanerkennung – nur sieben Prozent der Abschlüsse wurden in Deutschland nicht anerkannt. Allerdings müssten die Flüchtlinge nun Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie flexible und bedarfsgerechte Angebote erhalten, etwa „passgenaue Sprachkurse“, so das IW. Das Bundesinnenministerium hatte bereits Ende März gut 1.900 Menschen aus der Ukraine befragen lassen, die sich zu dem Zeitpunkt maximal zwölf Wochen in Deutschland aufgehalten hatten. Befragt wurden vorwiegend Erwachsene im erwerbstätigen Alter, überwiegend Frauen. Von den Befragten gaben 52 Prozent der Menschen an, in Deutschland arbeiten zu wollen.
Die neu gewählte DGB Chefin Yasmin Fahimi (siehe Seite 3) warnte derweil vor bürokratischen Hürden bei der Integration ukrainischer Flüchtlinge. „Bevor sie irgendwelche Leistungen in Anspruch nehmen können, müssen sie zur Ausländerbehörde, um sich den Aufenthalt bestätigen zu lassen“, sagte Fahimi der Funke Mediengruppe. Dafür bräuchten sie einen persönlichen Termin. Das sei „im Moment das Nadelöhr. Das dauert oft viele Wochen“. In dieser Wartezeit bestehe die große Gefahr, dass die ukrainischen Flüchtlinge „nicht wohl gemeinte und zum Teil illegale Job-Angebote“ bekämen, so Fahimi. Der Staat solle bei den Ukrainern nicht in eine „nüchterne Verwertungslogik“ verfallen und sie als Lösung für Deutschlands Fachkräftemangel betrachten. Wie lange die Ukrainer_innen in Deutschland blieben, könne niemand vorhersagen. „Wer glaubt, das Fachkräfteproblem in Deutschland durch die Ukrainerinnen und Ukrainer zu lösen, der ist schief gewickelt.“ In erster Linie gehe es darum, den Menschen zu helfen.“
Entnommen aus Forum Migration Juni 2022