
Spargelernte: Infektionsherde erster Güte
Im Schnitt arbeiten rund 280.000 Erntehelfer_innen im Jahr in Deutschland. Unter anderem stechen sie Spargel, ernten Erdbeeren und Gurken und übernehmen die Weinlese. Auch in diesem Jahr werden viele von ihnen aus dem Ausland anreisen – und ein Teil sich mit Covid-19 infizieren.
Auf Druck der Landwirtschaftsverbände und des Landwirtschaftsministeriums hat sich die Bundesregierung auch dieses Jahr auf eine Ausweitung der 70 Tage-Regelung für Erntehelfer_innen eingelassen. Im Omnibusverfahren mit dem Seefischereigesetz hat der Bundestags der Ausweitung der sozialversicherungsfreien Zeit für Beschäftigte in der Saisonarbeit von 70 auf 102 Tage zugestimmt.
Saisonbeschäftigte arbeiten nun mitten in der Corona-Pandemie für Monate ohne Kranken- und Sozialversicherung. „Ein weiteres Jahr mit unhaltbaren Zuständen, schlechten Unterkünften und hohem Corona-Infektionsrisiko für Erntehelfer_innen steht uns bevor. Es ist ein sozialpolitisches Desaster, dass wir diese Debatte jedes Jahr neu führen und die Bundesregierung jedes Jahr wieder vor der Landwirtschaftslobby einknickt“, sagt Anja Piel, DGB Vorstandsmitglied. „Union und SPD machen die Erntearbeit für mehr als 50.000 Menschen auch im zweiten Corona-Jahr zur Hochrisikozone.
„8 Stunden Schlaf ohne Maske im Mehrbettzimmer und ein Gemeinschaftsraum für Viele – wenns Einer hat, bekommen es fast alle. Und dann andere Menschen”, heißt es dazu in einer Petition an den Bundestag. Die kritisiert, dass Landwirte nicht verpflichtet wurden, die Saisonbeschäftigten in Einzelzimmern unterzubringen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft empfehle lediglich, dies „anzustreben”. Bundesländer schreiben von „soll möglichst“ – beides sei für örtliche Behörden nicht durchsetzbar.
Die IG BAU kritisiert derweil, dass Erntehelfer_innen – etwa aus Georgien – die Reisekosten nach Deutschland selber tragen müssen. Vielfach bekämen sie lediglich den Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro die Stunde, von dem noch Abzüge gemacht werden. „Es ist immer wieder dasselbe: Die Erntebetriebe versuchen an den Lohnkosten zu sparen, wie es irgendwie nur geht, um noch höhere Gewinne zu erzielen. Und der Staat hilft auch noch dabei“, sagt IG BAU Vizechef Harald Schaum. Mitarbeiter_innen der Beratungsstellen Faire Mobilität waren im April unter anderem auf Spargelfeldern in Südhessen unterwegs und informierten dort Saisonbeschäftigte aus dem Ausland über Arbeitsrechte. „Diese gaben an, nicht genau zu wissen, wie viel sie nach Abzügen für Unterkunft und Verpflegung verdienen”, so Faire Mobilität in einer Stellungnahme.
„Change“-Petition: https://bit.ly/3gqK6O0
DGB Stellungnahme: https://bit.ly/3tTFLqo
Faire Mobilität
Faire Mobilität bietet eine bundesweite kostenlose Hotline zu arbeitsrechtlichen Fragen während der Corona-Krise in verschiedenen europäischen Sprachen.
Hotline Corona und Arbeitsrechte: www.faire-mobilitaet.de
Information und Rechtsschutz
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau bietet eine neue Web-App mit mehrsprachigen Informationen zum sicheren und gesunden Arbeiten für Saisonarbeitskräfte an. Die App bietet eine Liste mit Notfalltelefonnummern und beantwortet Fragen etwa zum Thema Corona, auf Deutsch, Englisch, Rumänisch, Polnisch, Bulgarisch und Ungarisch.
www.agriwork-germany.de
IG BAU
Die IG BAU bietet unter anderem für Erntehelfer_innen eine günstige Jahresmitgliedschaft mit vollem Rechtsschutz, die ohne Kündigung endet, sofern sie nicht erneuert wird.
https://bit.ly/3v6tfnF
Entnommen aus Forum Migration Mai 2021