Porträt Anerkannt: Eine Frau mit vielen Botschaften
Über sie selber redet Charlotte Johnson nicht so gern. „Was tut das denn zur Sache?“, fragt sie, wenn man mehr über sie erfahren will. Viel lieber will sie von ihrer Arbeit als Gewerkschafterin erzählen und ihren 17 Ehrenämtern, wie sie nach kurzem Nachdenken ausrechnet. Die Vita der Tochter eines afro-amerikanischen GIs und einer Nürnbergerin ist ein beeindruckendes Zeugnis fast lebenslangen Engagements.
Ihr Vater kam in den 1960er-Jahren nach Deutschland, Johnson, die sich „fränkische Amerikanerin mit Nürnberger Dialekt“ nennt, besuchte in Nürnberg die Schule, im Juni 1986 begann sie ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. In die Gewerkschaft HBV mochte sie zu Beginn nicht eintreten, „sie wissen ja wie das ist bei jungen Leuten, wenn immer Geld fehlt“. Schon nach wenigen Monaten aber überlegte sie es sich anders, wurde Mitglied – und blieb als Gewerkschafterin aktiv. Sie wurde später Betriebsrätin bei Quelle, bis das Unternehmen 2008 erst den Standort Nürnberg betriebsbedingt schloss, um in Berlin und Leipzig neue Beschäftigte einzustellen, die „nicht mal die Hälfte verdienten wie wir“, sagt Johnson. Es nützte nichts: Kurz darauf war Quelle pleite. „Ich war noch bei den Glücklichen mit Abfindung“, sagt Johnson über diese Zeit. Danach wechselte sie zur Bundesagentur für Arbeit und wurde auch dort Personalrätin und Vertrauensfrau für ver.di.
Vor allem aber ist Johnson gewerkschaftlich in Sachen Migration aktiv. „Ich hab ja selber auch Migrationshintergrund“, sagt sie. Aber andere, die hätten „mehr Probleme, arbeitsrechtlich und gesellschaftspolitisch“. Solche, die nicht wie sie zweisprachig aufgewachsen und in Deutschland zur Schule gegangen seien. Und das betreffe keineswegs nur Flüchtlinge. „Nein“, sagt sie, wenn man sie auf diese anspricht, „ich will nicht nur über Flüchtlinge reden, das Thema betrifft viel mehr Menschen, nämlich um alle Migranten.“
Und deshalb ist sie viel unterwegs, es wäre wahrscheinlich leichter aufzuzählen, wo Johnson sich nicht engagiert. Sie ist aktiv im Migrantinnen Netzwerk Bayern und dem Netzwerk rassismusfreies Bayern und zu den 17 Gewerkschafts-Ehrenämtern gehören die als Mitglied im ver.di-Bundesmigrationsausschusses, Vorsitzende des Landesmigrationsausschusses Bayern und des Migrationsausschuss Mittelfranken.
Der ist gewissermaßen ihre politische Basis. Kolleg_innen aus mehr als einem Dutzend Ländern sind dort organisiert. Um die geht es Johnson, diese sollten stärker in den Gewerkschaften vertreten sein, findet sie. Menschen mit Migrationsgeschichte machten mehr als ein Fünftel der ver.di-Mitglieder aus. „Diese Stimme muss auch Gehör finden.“ Denn wer selbst eine Migrationsgeschichte habe, könne auch ganz anders nachempfinden, was migrantische Kolleg_innen umtreibe. Zum Beispiel der Rassismus in der Arbeitswelt. Johnson hält darüber Vorträge und berichtet davon, welche Diskriminierungen Migrant_innen und schwarze Menschen erfahren.
Es ist kein Wunder, dass es für eine derartig bewegte Person nicht leicht ist, zu sagen, was unter all den Themen das wichtigste Anliegen ist. Johnson schickt ein mehrseitiges Dokument, gespickt mit Forderungen und Statements, alle richtig, alle dringlich – vom Wahlrecht über Qualifizierung und gleichberechtigte Teilhabe bis hin zum allfälligen Respekt. Schließlich schlägt sie doch einen Satz vor: „Von prekärer Beschäftigung sind Frauen und Migrant_innen besonders häufig betroffen – von der politischen Teilhabe sind sie weit gehend ausgeschlossen.“ Nein, sagt sie dann gleich, das sei doch zu kurz, da fehle noch so viel, „sorgen Sie für mehr Platz, denn Migrant_innen haben so viel zu sagen“.