Porträt Anerkannt: Kämpfe um Anerkennung
„Ignorant“ sei lange Zeit mit Menschen mit ausländischer Berufsqualifikation umgegangen worden, sagt die Beraterin Claudia Welke. Heute nehme die Politik das Thema ernster. Doch Anerkennungen zu erlangen, sei noch immer oft ein langer Weg, mit vielen Stolperfallen.
Ihre Klient_innen, das sind Menschen wie die Architektin aus Ägypten, eine hoch qualifizierte Frau, alleinerziehend. Fünf Jahre lang hat Claudia Welke, Pädagogin, ausgebildete Therapeutin, vor allem aber: Berufsberaterin, sie begleitet. Im vergangenen Monat hat die Ägypterin ihren Arbeitsvertrag unterschrieben. „Es war ein Kampf“, sagt Welke: Mit den Behörden und der Architektenkammer, die zusätzliche Ausbildungsstunden forderte, die wiederum Geld kosten. Mit den Architektenbüros, die sagten: ‚Ihr Deutsch ist gut, aber Sie beherrschen die Fachsprache nicht.‘ Solche Kämpfe könne nur gewinnen, wer „dranbleibt und hartnäckig“ sei, sagt Welke – sie als Beraterin und natürlich auch die Klient_innen selbst, die sich nicht entmutigen lassen dürfen. Es ist nicht so, dass das, was Welke tut, immer schon als wichtig galt. „Ignorant“ und „nachrangig“, so habe die Politik die Hilfe für Migrant_innen auf dem Weg in den Beruf einst behandelt, sagt Welke. Seit über zehn Jahren arbeitet sie bei Job Service Leverkusen. Schon lange, bevor 2015 plötzlich sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, beriet sie dort Menschen, die im Ausland einen Beruf gelernt hatten und nun wissen wollten, was ihre Kenntnisse in Deutschland wert sind. „Die erste Runde waren die, die nach dem Jugoslawienkrieg kamen.“ Job Service Leverkusen hatte zunächst berufsorientierte Sprachkurse angeboten, die Berufsberatung lief parallel zum Unterricht. „Es ging immer darum, was machen wir mit den Schulabschlüssen und den Ausbildungen.“ 2014 hat Welke dann beim DGB Bildungswerk eine Weiterbildung zum Thema absolviert. „Ich wurde genau rechtzeitig fertig, als es richtig losging“, sagt sie, „ich hatte das Knowhow zum richtigen Zeitpunkt“. Denn unter denen, die 2015 kamen, waren „viele junge Menschen, es ist gut, wenn man dann fachlich breit aufgestellt ist“, sagt Welke. Und dass sie der festen Überzeugung sei, etwas Positives bewirken zu können. „Sonst könnte ich hier nicht arbeiten.“ Zu ihr kommen heute Mechatroniker, Krankenschwestern, Bauingenieure und Büroangestellte. Man muss nicht, wie Welke, ausgebildete Therapeutin sein um Flüchtlingen und Menschen aus anderen Kulturen zu helfen, in Deutschland Arbeit zu finden. Aber es kann helfen auf entsprechendes Handwerkzeug zurückgreifen zu können.„Sie können sich vorstellen, wie viele traumatisierte Leute ich hier sitzen habe.“
Mittlerweile hat sie weit über 70 erfolgreiche Anerkennungsverfahren begleitet. Am schwierigsten sei die Vermittlung oft in technischen Berufen. „Automechaniker können schrauben, aber die Technik, die wir heute in unseren Autos verbaut haben, das sind Welten.“ Vielen rate Welke, „lieber nochmal eine Ausbildung zu starten, wenn sie nicht so alt sind“. Die kritische Grenze dafür liegt nach ihrer Erfahrung bei „32, 33 Jahren“. Nach den Flüchtlingsankünften ab 2015 gab es Geld für viele neue Projekte im Anerkennungsbereich. Jetzt gehen die Zahlen der Neuankömmlinge zurück, das mache sich auch bei den Hilfsmaßnahmen bemerkbar, sagt Welke. Einige Förderprogramme seien rückläufig.
Ihre Arbeit erleichtere, dass die Politik das Thema heute ernster nehme. Seit 2015 sei „ein Zugzwang dahinter“, sagt sie. Und auch bei den Betrieben habe sich die Haltung teils verändert: „Es gibt einige Unternehmer, die sagen, ich nehme das als meine gesellschaftliche Verantwortung an.“ Gleichwohl habe sie in ihrer Arbeit „viel mit Vorurteilen zu tun“, sagt Welke. Manche denken: „Wer weiß, was die wirklich können.“ Dagegen helfe nur Aufklärungsarbeit und die Vermittlung von Praktikant_innen. Kürzlich habe sie eine Veranstaltung besucht, bei der sich Handwerksbetriebe sich zu Best Practices bei der Einstellung von Migrant_innen ausgetauscht hätten. „Das hätte ich mir schon 2015 gewünscht.“
aus Forum Migration Oktober 2019