Podcast Anerkannt
Wie können im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen, Lernleistungen und berufliche Erfahrung in Deutschland offiziell, aber auch gesellschaftlich anerkannt werden? Um diese Frage drehen sich vier Podcasts unseres Projekts Anerkannt. Der erste Podcast fragt danach, wie eine Anerkennungskultur in Deutschland geschaffen werden kann. Im zweiten geht es unter dem Titel ‚Haken und Ösen‘ um eine kritische Zwischenbilanz der Anerkennungspraxis in den letzten Jahren. Der dritte Podcast fragt nach den besonderen Anerkennungsinteressen von Frauen. Und im vierten Podcast ‚Strategien für die Zukunft‘ geht es um gewerkschaftliche Antworten auf Anerkennungsdefizite und Fluchtursachen.
Das Anerkennungsgesetz bzw. das BQFG war ein erster, wichtiger Schritt um Gerechtigkeit für gleichwertige Berufsausbildung und Qualifikation herzustellen. Das Gesetz hat jedoch noch viele Haken und Ösen, in einigen Betrieben sieht Daniel Weber, DGB Bildungswerk BUND, immer noch aktive und passive Diskriminierung.
Jutta Hölscher spricht mit Naciye Celebi-Bektas, DGB Niedersachsen, über frauen- und migrationspolitische Bündnisarbeit. Marie Weiss, Vertrauensfrau der Industriegewerkschaft BCE, berichtet von den Frustrationen, Männer zur Anerkennung ihrer Qualifikationen zu beraten, die ihre eigenen Frauen aber zu Hause lassen. Bärbel Mauch, DGB Baden-Württemberg, gibt Einblicke, wie Anerkennungskultur ein Ergebnis von allem von eigener Vernetzung und Einsatz von Frauen ist.
Im Kurzinterview diskutiert Esther Winther, Universität Duisburg-Essen, Alternativen zu Zertifikatsprüfungen. Sie empfiehlt Kompetenzbilanzierungen, in denen in Gesprächen die Fähigkeiten und Motivationen der Kolleginnnen und Kollegen herausgearbeitet werden. Leider mauern hier Arbeitgeber und bestehen auf Zeugnissen und Zertifikaten. Nachdem das Thema Anerkennung auch durch die Diskussionen um die Integration von Geflüchteten Wind bekommen hat, lässt das Vorbild der Länder in Nordeuropa hoffen, das Deutschland hier einmal gleichziehen wird.
Jutta Hölscher interviewt Daniel Weber, DGB Bildungswerk BUND, Malte Meyer, DGB Bildungswerk BUND, und Mario Patuzzi, DGB: Für die gewerkschaftlichen Bildungsarbeiter und Bildungspolitiker ist die nun anlaufende Anerkennung von sogenannten "non-formal und informell" erworbenen Kompetenzen und beruflichen Qualifikationen ein "Durchbruch einer Schallmauer". Was vor Ort in den Betrieben schon lange klar ist, wird durch das Projekt der Handels- und Handwerkskammern VALIKOM nun auch auf dem Papier deutlich. Viel Können steht nicht in den Papieren und Zeugnissen, ist aber überprüfbar. Durch Validierung kann dieses sichtbar und zertifizierbar gemacht werden. Daniel Weber warnt jedoch vor einer Spaltung in Verfahren für Migrantinnen und Migranten einerseits und deutsche Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger andererseits: Es muss zusammen gedacht werden.
In der aktuellen Lage werden Qualifizierte und Angelernte, Inländer und Ausländer gegeneinander ausgespielt. Dr. Stefan Georgi, Universität Marburg, erklärt diese Kämpfe um Migration vor den Hintergründen unter anderem von Globalisierung und Digitalisierung aus der systemischen Krise des Kapitalismus. Malte Meyer, DGB Bildungswerk BUND, setzt unser Eintreten für eine Anerkennungskultur und eine Kultur des Respekts gegen diese Spaltung der Arbeitnehmenden.
Im Tandem interviewt Jutta Hölscher Daniel Weber, DGB Bildungswerk BUND, und Dr. Stefan Georgi, Universität Marburg. Aus Perspektive der gewerkschaftlichen Migrationspolitik wirbt Daniel Weber für einen solidarischen Kulturbegriff. "Wir sind stolz auf unsere Gewerkschaften und ihre Werte der internationalen Solidarität." Sollte jedoch die Tendenz der Migrationspolitik und Arbeitsmarktpolitik weiter gehen zur Konkurrenz der Beschäftigten untereinander - In- gegen Ausländer, Fest- gegen Werkverträge - steht Solidarität in Frage.
Stefan Georgi warnt, dass der idealistische Appell gegen ein sogenanntes "Wachstumsdenken" zu kurz greift: Solange es ein Grundprinzip des Kapitalismus gibt, die Konkurrenz und die private Aneignung der gesellschaftlichen Arbeit, gibt es einen Wachstumszwang. Die Kritik des Kapitalismus oder seiner Auswüchse sollte weg gehen von eines Kritik eines "Diskurses", hin zu einer tiefer gehenden Kritik des Kapitalismus. Stefan Georgi dreht den Konkurrenzgedanken um: "Gewerkschaften waren immer dann erfolgreich, wenn sie sich nicht spalten lassen." Seine Idee: Internationale Gewerkschaften, jenseits von Grenzen und Nationalstaaten.