
Pandemie der Prekarisierten
Die Covid-Krise traf auch die Wirtschaft – doch nicht alle litten gleich darunter. Eine neue Studie der Fachstelle Einwanderung des IQ Netzwerks zeigt nun: In Deutschland verloren überdurchschnittlich Personen aus EU-Staaten, insbesondere aus Staaten der EU-Osterwei-terung, ihre Arbeit durch die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie.
Viele Beschäftigte seien im Zuge der Krise mit sofortiger Wirkung ohne Lohnfortzahlung entlassen worden, heißt es in der Untersuchung. Dadurch stieg die Arbeitslosenquote von Menschen mit deutschem Pass im zweiten Quartal 2020 von 4,4 auf 20,2 Prozent. Unter EU-Staatsangehörigen hingegen stieg der Anteil von knapp 6 auf 29,5 Prozent. „Dies stellte für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit insofern eine besonders existenzielle Bedrohung dar, als dass sie durch soziale Sicherungssysteme oft nicht abgefangen wurden“, so die Studie. Für Drittstaatsangehörige sei zudem der Aufenthaltstitel durch den Verlust der Arbeit gefährdet. Einer der Gründe für die überproportionale Betroffenheit sei, dass vor allem Branchen mit vielen migrantischen Beschäftigten stark unter Corona litten, etwa die Gastronomie. Auch die Zahl der Stellen in der Arbeitnehmerüberlassung nahm während der Covid-19-Krise besonders stark ab. In allen Branchen hätten sich Prekarisierungstendenzen aufgrund der wachsenden Konkurrenz um Arbeitsplätze und dem damit verbundenen Leistungsdruck zugespitzt, so die Forscher_innen. Dass Arbeitsagenturen, Jobcenter und Beratungsstellen während der Pandemie nur stark eingeschränkt erreichbar waren und sich bei den Arbeitsgerichten Verhandlungen verzögerten, erschwerte zudem, sich gegen unrechtmäßige Entlassungen zur Wehr zu setzen, neue Arbeit zu finden, soziale Sicherungsleistungen zu beantragen und Formalitäten zu regeln. Die zum Teil ausschließlich telefonisch geführte Kommunikation war für viele Betroffene oft mit sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten verbunden. Frauen seien von dieser Entwicklung insgesamt stärker betroffen als Männer. Das Migrationsgeschehen wurde dadurch maßgeblich beeinflusst, der Wanderungssaldo sank stark.
Studie: „Prekär durch die Krise” des IQ Netzwerks
Entnommen aus Forum Migration März 2022