
Nonstop-Bereitschaft
Eine bulgarische Pflegerin hat in Berlin erfolgreich auf Lohnnachzahlung geklagt. Sie hatte 24 Stunden pro Tag Bereitschaft leisten müssen – war aber nur für 30 Stunden pro Woche bezahlt worden.
Bulgarische Firmen hatten sie eingestellt, um eine 96-jährige Seniorin in deren Wohnung in einer Berliner Seniorenresidenz zu pflegen. Dabei gab es keine festgelegten Freizeiten und auch keinen bezahlten Urlaub, stattdessen musste die Bulgarin rund um die Uhr für Pflege-, Betreuungs- und Haushaltstätigkeiten zur Verfügung stehen. Schließlich entschloss sie sich, für die Zeit von April 2015 bis Ende 2015 einen Lohnanspruch über die gesamte Arbeits- und Bereitschaftszeit – also 24 Stunden täglich – gegen ihren letzten Arbeitgeber einzuklagen. Die Forderung lag bei rund 45.000 Euro brutto abzüglich der gezahlten Vergütung in Höhe von knapp 6.700 Euro. Kürzlich entschied das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Auch die Bereitschaftszeit müsse grundsätzlich vergütet werden – in diesem Fall mit dem damals gültigen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro.
Der Fall der Bulgarin ist exemplarisch für die Zustände im privaten Pflegebereich. Anfang des Jahres hatte Michael Isfort vom Institut für angewandte Pflegeforschung eine Studie hierzu vorgelegt. Er geht darin von rund 150.000 bis 300.000 Frauen aus überwiegend osteuropäischen Ländern aus, die in Deutschland tätig sind. Allein in NRW könne die Zahl der häuslichen Pflegekräfte auf bis zu rund 120.000 im Jahr 2030 ansteigen, heißt es in der Studie. Ohne die Migrantinnen sei die häusliche Pflege nicht zu gewährleisten, doch die Regelungslücken seien enorm. „Man wird sich dem Thema systematisch zuwenden müssen“, sagte Isfort der DPA.
Bericht von Faire Mobilität über erfolgreiche Lohnklage in Berlin
Isfort-Gutachten für die Landesregierung NRW zu privat organisierter Pflege (05/19)
Aus Forum Migration Dezember 2019