
News November 2021
AfD-Ergebnis bei Bundestagswahl: Postmigrantischer Verband sieht „Alarmsignal”
25,7 Prozent in Sachsen, stärkste Kraft in weiten Teilen Ostdeutschlands: Bei den Wahlen zog die rechtsextreme AfD zum zweiten Mal in Folge mit einem zweistelligen Ergebnis in den Deutschen Bundestag ein. Von einem „Alarmsignal für die Demokratie“ spricht der Verband ,neue migrantische organisationen‘ (nmo), ein Zusammenschluss von 130 Initiativen, die sich für Vielfalt engagieren. „Es ist ein Skandal, aber die bittere Wahrheit, dass die meisten Parteien und Medien dies als Normalität akzeptieren“, sagt ndo-Vorsitzende Sheila Mysorekar. Die Wahl habe gezeigt, dass der Aufstieg der AfD keineswegs nur eine „Reaktion“ auf die so genannte „Flüchtlingskrise“ 2015 gewesen sei. Für People of Color und andere marginalisierte Gruppen seien die Ergebnisse der AfD „ein Angriff auf unsere bloße Existenz“, die ausbleibenden Reaktionen der anderen Parteien „ein weiterer Schlag ins Gesicht“.
Sanktionsmaßnahme: Frankreich stellt weniger Visa für Maghreb-Staaten aus
Frankreich will die Einreise aus Algerien, Marokko und Tunesien erschweren. Die Zahl der erteilten Visa soll „drastisch“ vermindert werden, heißt es laut einem Bericht der taz von Seiten der Regierung – um 50 Prozent für Algerien und Marokko und um 30 Prozent für Einreisegesuche aus Tunesien. Diese Maßnahme sei eine Konsequenz der Weigerung der Maghreb-Staaten, ihre von Frankreich abgewiesenen Staatsangehörigen zurückzunehmen. „Es handelt sich um eine drastische und noch nie dagewesene Entscheidung. Sie wurde aber notwendig, weil diese Staaten ihre Landsleute, die wir nicht in Frankreich behalten möchten oder können, nicht zurücknehmen wollen“, sagte ein Regierungssprecher.
„Moving Cities Map“: Neue Webseite zeigt Solidarische Städte
In Deutschland nennen sie sich „Sichere Häfen“ oder „Solidarity Cities“, zu finden sind sie in ganz Europa: Über 700 Städte und Kommunen von Portugal bis Polen zeigen, wie eine fortschrittliche kommunale Aufnahmepolitik aussehen kann. Mit einer neuen mehrsprachigen Webseite, der „Moving Cities Map“ zeigen die Heinrich-Böll- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung was Kommunen leisten können, die sich nationaler Abschottungspolitik entgegenstellen. „Die Bemühungen um eine solidarische Reform nationaler und EU-Migrationspolitiken befinden sich seit Jahren in einer Sackgasse“, heißt es in einer Erklärung der Stiftungen. Opportunismus und Verantwortungsverweigerung bestimmen den Umgang mit Flucht und Migration. Viele Kommunen hingegen „schreiten mit konkreten Willkommenspolitiken und innovativen lokalen Lösungsansätzen zur Integration voran“. Die Plattform „moving-cities.eu“ biete erstmalig in sieben Sprachen ein systematisches Mapping von Kommunen und ihren Lösungsansätzen quer durch Europa. Die Seite gibt einen Überblick über bereits aktive Städte und Netzwerke, bietet eine vertiefte Darstellung von fortschrittlichen Städten und deren Strategien, und listet inspirierende lokale Ansätze in verschiedenen Bereichen auf. Die Seite ist in Englisch, Deutsch und Griechisch verfügbar, bald folgen Französisch, Polnisch, Italienisch und Spanisch. Die Idee zu diesem Vorhaben entstand 2019 in einem europäischen Vernetzungsprozess zivilgesellschaftlicher Initiativen, aus dem sich das Konsortium „FromSea2Cities“ gründete. Mitfinanziert wird das Projekt von der Robert-Bosch-Stiftung und dem Stiftungsfonds Zivile Seenotrettung.
Italien: 13 Jahre Haft für Integrations-Bürgermeister
Der Ex-Bürgermeister des süditalienischen Dorfes Riace in Italien ist zu einer Gefängnisstrafe von mehr als 13 Jahren verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte knapp acht Jahre Haft verlangt. Dem 63-jährigen Domenico Lucano wurde unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Amtsmissbrauch, Betrug und Erpressung zur Last gelegt. Domenico war bis 2018 Bürgermeister in dem kalabrischen Dorf. Er wurde dafür berühmt, dass er Migrant_innen dort ausdrücklich willkommen hieß, um der grassierenden Landflucht zu begegnen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Lucano muss zudem EU-Gelder in Höhe von 500.000 Euro zurückzahlen, die für das „Riace-Modell“ geflossen waren. Das Modell wurde als einfache, aber effektive Methode zur Wiederbelebung dünn besiedelter Dörfer und zur Unterbringung von Asylbewerber_innen gepriesen. In seinem Rahmen wurden verlassene Häuser restauriert und Handwerksbetriebe in Riace wiedereröffnet, was Touristen anlockte. Lucano schaffte es 2016 in die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des „Fortune“-Magazins. 2010 wurde er als drittbester Bürgermeister der Welt ausgezeichnet. Das Urteil gegen ihn wird von vielen antirassistischen Gruppen als klar politisch motiviert gewertet.
EU-Kommission will gegen „Pushbacks” an den Außengrenzen vorgehen
Sie drängen Schutzsuchende zurück über die Grenze, oft mit Schlägen oder Hunden: So genannte Pushbacks an den EU-Außengrenzen sind ein Verstoß gegen die Flüchtlingskonvention, sie wurden aber zuletzt massenhaft dokumentiert, vor allem in Kroatien, Griechenland und Polen. Nun will die EU-Kommission dem nachgehen. „Diese Berichte sind schockierend und müssen untersucht werden“, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson. Sie wolle mit dem griechischen und dem kroatischen Migrationsminister über die Vorwürfe reden. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, jegliche Gewalttaten gegen Migrant_innen, Asylbewerbende oder Geflüchtete seien inakzeptabel und müssten untersucht werden. „Die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte, insbesondere beim Schutz der Außengrenzen, ist für die Europäische Kommission von entscheidender Bedeutung.“ Die Kommission habe wiederholt betont, dass „Pushback“-Praktiken rechtswidrig seien.
Afrikanische Union: Ohne Investitionen wird die Migration nach Europa weitergehen
Für ein Eindämmen der Migration von Afrika nach Europa geht nach Überzeugung der Afrikanischen Union (AU) kein Weg an Investitionen, Wirtschaftshilfe und -förderung vorbei. Die allermeisten Migrant_innen suchten ein besseres Leben, sagte die Kommissarin für soziale Angelegenheiten der AU, Amira El Fadil, laut einem Bericht der DPA. Europa müsse dem Kontinent bei der Schaffung von Arbeitsplätzen helfen. „Es ist ein langer Weg, es ist keine schnelle Lösung“, aber ein langfristiger Ansatz werde bessere Ergebnisse erzielen, meinte die Expertin. Auf einer internationalen Konferenz des Migrations-Thinktanks ICMPD wandte sie sich zugleich gegen die Idee von so genannten Ausschiffungs-Zentren. Dort sollen auf See gerettete Flüchtlinge sicher untergebracht und nach ihrem Migrationsgrund in legale und illegale Zuwanderer_innen unterschieden werden. „Man löst das Problem nicht, indem man Migranten dorthin überstellt“, sagte El Fadil. Sie machte darauf aufmerksam, dass 80 Prozent der Migration innerhalb Afrikas stattfinde, nur 20 Prozent der Auswanderer_innen strebten nach Europa. Die innerafrikanische Migration werde aufgrund der immer engeren wirtschaftlichen Verflechtung der Staaten weiter zunehmen.
Haus der Kulturen der Welt zeigt „Archiv der Flucht“
Welche Formen des Erinnerns braucht es in heutigen Einwanderungsgesellschaften? Eine Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt zeigt bis Januar 2022 Erinnerungen nach Deutschland migrierter Menschen als Bestandteil deutscher Nachkriegsgeschichte. In 41 dokumentarische Filminterviews erzählen Menschen, die in den letzten 70 Jahren in die Bundesrepublik oder die DDR eingewandert sind, von Heimat und Exil, von dem, was Einwanderung bedeutet – und sie bezeugen eine vielschichtige, aufregende Erzählung der Geschichte dieses Landes.
Entnommen aus Forum Migration November 2021