
News Juni 2022
DGB Bundeskongress: Yasmin Fahimi ist neue Vorsitzende
Der Bundeskongress des DGB hat die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi zur neuen Vorsitzenden gewählt. Fahimi erhielt bei der Wahl am 9. Mai 358 von 398 Stimmen. Sie ist die erste Frau an der Spitze des DGB. Fahimi stammt aus Hannover und sitzt seit 2017 für die SPD im Bundestag. Vor 2000 bis 2013 war sie Gewerkschaftssekretärin bei der IG BCE. 2014 und 2015 bekleidete sie das Amt der SPD-Generalsekretärin und war 2016 und 2017 beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. In ihrer Grundsatzrede ging Fahimi auch auf die Themen Migration und Diversität ein. „Wir wollen eine diskriminierungsfreie Gesellschaft: Jeder Mensch kann und darf sein, wie sie oder er sein möchte“ – das sei für den DGB selbstverständlich, so Fahimi. Solidarität sei „oberstes Gebot“, jeder Form von Hass und Hetze werde eine klare Absage erteilt. Es gebe keine andere Organisation, in der Toleranz und Vielfalt so selbstverständlich gelebt würden, wie in einer Gewerkschaft. Fahimi verwies auf die Verweigerung von Arbeitgebern in bestimmten Branchen, die Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen zu regeln, unter anderem in der Fleischindustrie, im Transportgewerbe, sowie in der Landwirtschaft, wo besonders viele Migrant_innen beschäftigt sind. Die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen dort „unterscheiden sich nicht von den übelsten Ausbeuterverhältnissen zu Beginn der Industrialisierung“, so Fahimi. Diese Auswüchse werde der DGB zusammen mit der Beratungsstelle Faire Mobilität weiter bekämpfen und skandalisieren. Später forderte Fahimi eine „grundsätzliche Kehrtwende“ in der deutschen Flüchtlingspolitik. Diese solle sich an den Regelungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge orientieren. „Ich denke an den schnellen Anspruch auf Grundsicherung, aber vor allem auch den direkten Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“, sagte Fahimi der Funke Mediengruppe.
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DGB Bundeskongress II: Mehr Kontrolle von Sammelunterkünften
Höhere Standards, mehr Kontrolle – auf dem Bundeskongress beschloss der DGB, von der Ampel Verbesserungen bei den Unterkünften für grenzüberschreitend Beschäftigte zu verlangen. Die 2020 im Arbeitsschutzkontrollgesetz festgelegten Qualitätsanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte müssten stärker überprüft werden, Unterbringung sollte grundsätzlich in Einzelzimmern stattfinden. Die Dokumentation der Unterkünfte durch die Arbeitgeber müsse den Kontrollbehörden regelmäßig zur Verfügung gestellt werden, so der angenommene DGB Antrag. Er fordert, die bisher völlig unregulierten Kosten zu deckeln. Grundsätzlich sei die Unterkunft unentgeltlich vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Wenn dafür ausnahmsweise eine Geldleistung verlangt werde, dürfte diese einen bestimmten, vertretbaren Höchstwert nicht überschreiten. Sinnvoll sei hier die Festsetzung der Sozialversicherungsentgeltverordnung. Zudem dürfe das Entgelt nicht direkt vom Arbeitgeber vom Lohn abgezogen werden. Hintergrund seien „branchenübergreifende Probleme“ bei der Unterbringung von grenzüberschreitend mobilen Beschäftigten aus Europa und Drittstaaten, hieß es zur Begründung im Antrag. Teils hausten in der Fleischindustrie oder in landwirtschaftlicher Saisonarbeit beschäftigte Menschen „in Verschlägen, in heruntergekommenen Höfen unter teils menschenunwürdigen Bedingungen“, teils würden „horrende Bettpreise“ von bis zu 400 Euro monatlich von den Löhnen abgezogen.
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DGB Papier: Saisonbeschäftigung – worum geht es?
Jährlich kommen über eine Viertelmillion Menschen als Saisonbeschäftigte nach Deutschland um zu arbeiten. Die Landwirtschaft ist auf diese Arbeitskräfte dringend angewiesen. Sie erfahren kaum Wertschätzung, sondern sind im Gegenteil regelmäßig schlechten Arbeits- und Unterkunftsbedingungen ausgesetzt. Über die kurzfristige Beschäftigung wird den Menschen zudem der Sozialversicherungsschutz vorenthalten. In einem neuen Newsletter hat der DGB die wichtigsten Fakten zu dem Thema zusammengestellt.
Frontex: Direktor Leggeri tritt zurück
Nach sieben Jahren an der Spitze der EU-Grenzschutz-agentur Frontex reichte der Franzose Fabrice Leggeri, 53, Ende April seinen Rücktritt ein. In einer internen Mail klagte er, die Agentur solle „in eine Art Menschenrechtsorganisation“ verwandelt werden. „Ich gebe mein Amt zurück, weil es aussieht, als ob das Frontex-Mandat, für das ich gewählt wurde, leise, aber effektiv verändert wurde.“ Tatsächlich musste Leggeri gehen, weil Frontex unter seiner Führung immer systematische Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat – und dabei immer öfter erwischt wurde. Recherchen eines Investigativteams des Spiegels und der NGO Lighthouse Reporting hatten sich ab 2020 minutiös mit den Verstrickungen von Frontex in die illegalen Zurückschiebungen an den EU-Außengrenzen befasst. Die Agentur selbst hatte lange jede Beteiligung an diesen zurückgewiesen und die Verantwortung – sofern es erdrückende Beweise für die Pushbacks gab – den nationalen Grenzschützern zugeschoben. Doch als sich ab 2020 Video-Belege und Medienberichte häuften, setzte das EU-Parlament eine Arbeitsgruppe ein, die der Agentur schon vor einem Jahr mit Budgetkürzungen drohte und die Entlastung für das Haushaltsjahr 2019 verweigerte. Auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf ermittelte zu „Vorwürfen im Zusammenhang mit Mobbing und Belästigung, Fehlverhalten und Zurückweisungen von Migranten“. Das Fass zum Überlaufen brachte nun offenbar der jüngste Spiegel-Bericht über frisierte Einträge in einer internen Frontex-Datenbank namens „Jora“. Darin wurden Frontex-Einsätze gegen Flüchtlingsboote in der Ägäis falsch verortet. Diese hatten sich tatsächlich in griechischen Hoheitsgewässern abgespielt – in der Datenbank wurden sie aber türkischen Gewässern zugeordnet, um nicht als Pushbacks erkennbar zu sein. Interimsleitung von Frontex ist nun die Lettin Aija Kalnaja.
EU: Kommission will legale Migration erleichtern
Die EU-Kommission will Arbeitskräften die Einwanderung erleichtern. Legale Migration gebe „Migrationswilligen die Möglichkeit, ihre Lebensumstände zu verbessern, gleichzeitig werden mehr qualifizierte Arbeitskräfte für die Aufnahmeländer gewonnen, die wiederum die Wirtschaft für alle ankurbeln“, sagte Kommissionsvize Margaritis Schinas. Migration sei „Teil der europäischen DNA“. Künftig sollen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse nicht entzogen werden, wenn ein_e Inhaber_in bis zu drei Monate arbeitslos wird. Arbeitgeber_innen, die ihre Beschäftigten unrechtmäßig ausnutzten, sollten sanktioniert werden. Die für eine langfristige Aufenthaltserlaubnis nötigen fünf Jahre sollen künftig auch in verschiedene EU-Länder verbracht werden können. Die Vergabe von Kurzzeit-Visa solle digitalisiert werden, so dass Antragsteller_innen nicht mehr zwingend persönlich zu einem Konsulat reisen müssen. Auch der Wechsel des Arbeitgebers soll künftig leichter möglich sein. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssen die Kommissionsvorschläge nun prüfen.
Mittelmeer: Erneut viele Tote in Mittelmeer, Justiz verhandelt in Italien gegen Seenotretter_innen
In den ersten fünf Monaten des Jahres sind mindestens 705 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Das berichtet die UN-Migrationsorganisation IOM. Weitere 5.600 wurden im gleichen Zeitraum von der libyschen Küstenwache auf dem Meer aufgegriffen und in Internierungslager in Libyen zurückgebracht, so das UN-Flüchtlingswerk UNHCR. Rund 30.500 Menschen gelang derweil zwischen Januar und Mitte Mai die irreguläre Einreise nach Europa, davon rund 14.000 nach Italien, rund 12.000 nach Spanien und rund 3.500 nach Griechenland.
Entnommen aus Forum Migration Juni 2022