
News Januar 2023
SVR: Neue Studie zu Migrant_innenorganisationen
Bis zu 14.300 formalisierte Migrant_innenorganisationen gibt es in Deutschland. Viele von ihnen haben sich inzwischen zu größeren Verbänden zusammengeschlossen. Seit gut zehn Jahren wird der Aufbau von Migrant_innen-Dachverbänden auch staatlicherseits vermehrt gefördert. „Es gibt in der Politik den Wunsch, ein übergeordnetes Verbändefeld zu schaffen“, sagt Jan Schneider, Leiter des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats Migration. Der geht in einem Forschungsprojekt der Frage nach, wie die wechselseitigen Erwartungen von Politik und Migrant_innen Dachverbänden bei der Gestaltung der Integrationspolitik zueinanderpassen. Unter anderem hätten die Verbände mit einem gemeinsamen Entwurf für ein Bundespartizipationsgesetz politischen Gestaltungswillen bewiesen – der Vorschlag wurde im Koalitionsvertrag aufgegriffen, so der SVR. Inzwischen hätten sich die Erwartungen an Migrant_innenorganisationen und ihre Dachverbände vielfach erfüllt. Besonders bei der zielgruppenspezifischen Versorgung und Ansprache von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben sie sich etwa aufgrund von Sprachkenntnissen sowie einer hohen interkulturellen Sensibilität bewährt. „Während der Corona-Pandemie haben Migrantendachverbände wertvolle Unterstützung bei der Verbreitung von Informationen über Infektionsschutzmaßnahmen geleistet”, so der SVR.
MIDEM-Jahresstudie: Mehrheit hält Migration für konfliktivstes Thema
Eine große Mehrheit der Europäer_innen befürwortet die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. Allerdings könnte die Solidarität für die Ukraine durch die wirtschaftlichen und sozialen Folgekosten deutlich schrumpfen. Zudem erstreckt sich die Solidarität nicht auf alle Geflüchteten gleichermaßen. Zu diesen Ergebnissen kommt die neue Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM), damit ist kein genereller Paradigmenwechsel in der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik verbunden. „Die Offenheit gegenüber ukrainischen Geflüchteten ist nicht gleichzusetzen mit einer Offenheit gegenüber allen Geflüchteten“, sagt MIDEM-Direktor Hans Vorländer. Die große Mehrheit der Befragten sei der Meinung, dass Migration das politisch konfliktträchtigste Thema ist – weit vor Wirtschafts- und Klimafragen.
IOM: 50.000 tote Migrant_innen seit Beginn der Zählung 2014
Seit 2014 hat die UN-Organisation für Migration (IOM) weltweit auf Migrationsrouten mehr als 50.000 Todesfälle dokumentiert. Im Jahr 2014 begann die Organisation mit der systematischen Erfassung – zuvor gab es nur unvollständige Zählungen zivilgesellschaftlicher Initiativen. Gleichwohl bleibt bis heute eine hohe Dunkelziffer, weil Fälle beispielsweise in der Sahara kaum erfasst werden können. Mehr als die Hälfte der Menschen kamen auf den Migrationsrouten über das Mittelmeer nach Europa ums Leben, geht aus der IOM-Statistik hervor. Bei mehr als 60 Prozent der 50.000 ist die Identität nie geklärt worden.
Mehr Wachstum: Uni Mannheim erforscht Folgen der Flüchtlingsaufnahme nach 1945
Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt bietet die Chance auf langfristig mehr Wohlstand. Das belegen Forschungsergebnisse der Universität Mannheim. In einer Langfrist-Studie wurde die Migration in der US-Besatzungszone (1945–1949) und deren Auswirkungen auf das Wirtschaftswunder mit den Folgen bis heute untersucht. Das Ergebnis: Betriebe in der amerikanischen Besatzungszone, die zwischen 1945 und 1949 Flüchtlinge integrierte, haben noch heute einen höheren Umsatz im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl von zehn bis 15 Prozent im Vergleich zu Unternehmen in Nachbargemeinden, die in der französischen Besatzungszone keine Flüchtlinge aufnehmen durften. Die Löhne sind etwa acht Prozent höher.
Demografie: Bevölkerung schrumpft bei niedriger Migration
Bei einer – eher niedrigen – Nettoeinwanderung von 180.000 Personen pro Jahr würde die Bevölkerungszahl Deutschlands auf 75 Millionen Menschen im Jahr 2070 sinken. Das ergab die 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. Ohne Einwanderung wäre die deutsche Bevölkerung dabei schon seit längerer Zeit geschrumpft. Seit 1972 sterben hierzulande mehr Menschen als geboren werden. Grundlage der Berechnungen sind die Faktoren Geburtenhäufigkeit (derzeit bei 1,58 Kindern je Frau), Lebenserwartung (78,5 Jahre bei Männern, 83 Jahre bei Frauen) und Auswanderungssaldo.
Brexit: In UK fehlen die Ärzt_innen
Das Ausscheiden aus der EU macht sich in Großbritannien beim Arztbesuch – oder schon bei der Suche nach einem Arzt oder einer Ärztin – bemerkbar. Laut einer vom Guardian in Auftrag gegebenen und von der Denkfabrik Nuffield Trust erstellten Studie war das britische Gesundheitswesen insbesondere bereits vor dem Brexit auf Ärzt_innen aus der EU angewiesen. Im Jahr 2021 hätten sich mehr als 4.000 Ärzt_innen aus der EU oder den EFTA-Ländern Norwegen, Schweiz, Island und Liechtenstein dagegen entschieden, sich in Großbritannien niederzulassen. Zu den rückläufigen Zahlen hätten neben anfänglicher Unsicherheit wegen der neuen Einreise- und Arbeitsregelungen auch strengere Visavorschriften und „sich verschlechternde Arbeitsbedingungen“ im Gesundheitssystem beigetragen.
Folgen der Corona-Pandemie für Migrant_innen – neue Bosch-Studie
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte besonders stark getroffen. Das zeigt eine neue Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Robert Bosch Stiftung. So seien Behörden und Ämter für Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte kaum noch erreichbar gewesen. Finanzielle Hilfen, die die Existenzsicherung garantieren sollten, wurden nicht oder mit starken Verzögerungen ausgezahlt, beispielsweise weil Unterlagen nicht bei den Jobcentern eingereicht werden konnten oder ein persönliches Vorsprechen beim Standesamt nicht möglich war. Besonders stark benachteiligt seien schutzbedürftige Personen wie Frauen, Kinder und Kranke sowie Bewohner_innen von Gemeinschaftsunterkünften gewesen. Neben der sozialen Isolation und den erhöhten gesundheitlichen Risiken in den Einrichtungen sei auch die gesellschaftliche Teilhabe der Geflüchteten deutlich eingeschränkt gewesen, beispielsweise bei Impfangeboten oder dem Zugang zum Internet und den dort verfügbaren digitalen Bildungsangeboten. „Die Covid-19-Pandemie hatte gravierende Auswirkungen auf die lokale Integrationsarbeit“, sagt Studienleiterin Petra Bendel.
Mölln: Gedenken 30 Jahre nach rechtem Anschlag
In Mölln ist der Opfer der rechtsextremistischen Brandanschläge vor 30 Jahren gedacht worden. Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte: „Wir dürfen in unserem Bemühen für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft keine Sekunde nachlassen. Mölln war und ist eine offene Wunde in der Geschichte dieses Landes“, sagte Touré. Die Brandanschläge seien eine Mahnung und zugleich Verpflichtung für alle Menschen in Schleswig-Holstein, sich gegen Rassismus einzusetzen. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) forderte ein würdiges Erinnern an die Opfer rechtsextremistischen Terrors in ganz Deutschland. An der Veranstaltung nahmen zudem auch Ibrahim und Faruk Arslan teil, die die Anschläge überlebt hatten.
Kirche begrüßt staatliche Zuschüsse für Seenotrettung
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat die geplante staatliche Unterstützung für das Seenotrettungsbündnis United4Rescue begrüßt. Damit werde ein deutliches Zeichen für die zivile Seenotrettung gesetzt, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus am Dienstag. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte im November entschieden, dem von der EKD initiierten Bündnis United4Rescue im kommenden Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Auch in den Folgejahren soll es diese Summe geben.
Entnommen aus Forum Migration Januar 2023