News August 2022
Ukraine-Flüchtlinge: Übersicht zum Arbeitsmarkt und Arbeiten in Deutschland von Faire Mobilität
Geflüchtete aus der Ukraine haben seit dem 1. Juni Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Somit sind die Jobcenter für sie zuständig. Bis Mitte Juli haben sich 360.000 der rund 800.000 insgesamt nach Deutschland gekommenen Ukrainer_innen bei den Jobcentern gemeldet. Das sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Rund 100.000 von ihnen könnten keiner Arbeit nachgehen, etwa Kinder und ältere hilfsbedürftige Menschen. Die übrigen rund 260.000 gelte es „jetzt in Arbeit zu vermitteln“, sagte Heil. Wie viel Geld dafür in diesem Jahr gebraucht wird, lasse sich derzeit nicht beziffern – „weil wir nicht wissen, wie viele Geflüchtete noch kommen oder wie viele auch gehen werden und wie lange der Krieg dauert“. Die DGB Beratungsstelle Faire Mobilität hat auf einer mehrsprachigen Webseite alle wichtigen Informationsquellen zum Arbeitsmarkt und Arbeiten in Deutschland für Ukrainer_innen zusammengestellt.
Flughafen-Chaos: Leiharbeiter_innen aus der Türkei sollen helfen
Stundenlange Wartezeiten, gestrandete Koffer und Passagiere, gestrichene Flüge: Viele deutsche Airports sind überlastet. Der Personalabbau während der Corona-Zeit, die aktuelle Covid-Sommerwelle und der Ferienreiseverkehr führen zu extremen Schwierigkeiten bei der Abfertigung. Die Lufthansa etwa hat an den Drehkreuzen Frankfurt und München für Juli und August knapp 6.000 Flüge gestrichen. Abhilfe schaffen sollen Leiharbeiter_innen aus der Türkei. Man prüfe die Situation und hoffe nach wie vor, dass Hilfskräfte von dort an deutschen Flughäfen eingesetzt werden können, sagte eine Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) der DPA. „Es geht nur um eine zeitlich befristete Beschäftigung.“ Angepeilt wird eine Größenordnung von bis zu 2.000 Personen, die größtenteils wohl ab August zum Einsatz kommen könnten. Die Feriensaison ist dann allerdings schon vorbei. Die Bundesregierung hat ein beschleunigtes Verfahren zugelassen, so dass angestellte Hilfskräfte etwa aus der Türkei befristet für drei Monate bei der Gepäckabfertigung einspringen können. Die türkische Luftfahrtbehörde rief indes Beschäftigte auf, im Land zu bleiben. Andere Länder seien neidisch auf die Spitzenposition der Türkei in der weltweiten Luftfahrt. „Wir haben akribisch verfolgt, dass sich einige Länder in den letzten Tagen intensiv darum bemüht haben, unsere Luftfahrtfachkräfte einzustellen“, hieß es in einer Erklärung. Diese Staaten seien bemüht, den Aufstieg der Türkei in der Luftfahrtindustrie zu stoppen.
Kritik: Keine Diversität im neuen NRW-Kabinett
Die neue schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen umfasst zwölf Minister_innen. Wären Menschen mit Zuwanderungsgeschichte hier entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung repräsentiert, müssten drei bis vier Kabinettsmitglieder einen entsprechenden Hintergrund haben. Tatsächlich gilt das für keinen einzigen. Serhat Ulusoy, der Vorsitzende des Türkischen Bundes NRW und stellvertretender Bürgermeister von Ahlen, hat dies gegenüber den Westfälischen Nachrichten kritisiert. „Eine Regierung sollte wie ein Parlament nach Möglichkeit immer ein Stück der Lebenswirklichkeit eines Landes widerspiegeln.“ Im Kabinett sei dies Fehlanzeige. „Das ist mehr als bedauerlich“, so Ulusoy. Die Koalition habe ein „historisches Momentum“ verpasst, ein echtes Kabinett der Vielfalt zu präsentieren. Ärgerlich sei zudem, dass die Position des Staatssekretärs für Integration nicht wieder besetzt worden sei. „Das ist für ein Bundesland wie NRW im Jahr 2022 höchst unbefriedigend, ja fast beschämend und ein Rückschlag für all diejenigen, die sich für Chancengerechtigkeit, politische Partizipation und Integration einsetzen.“ Ulusoy kritisierte, dass nicht einmal die Grünen eine_n Staatssekretär_in mit Migrationshintergrund berufen hätten.
EU-Entscheidung zur Tarifbindung: Lob von IG BAU
Die EU-Arbeits- und Sozialminister haben sich zu einheitlichen Regeln für Mindestlöhne in Europa bekannt. Mitte Juni stimmte der Ausschuss der Ständigen Vertreter entsprechenden Plänen der Kommission zu. Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und zugleich Mitglied der Mindestlohnkommission nannte dies einen „Meilenstein für Beschäftigte in ganz Europa“. Gerade auf dem Bau herrsche ein europaweiter Dumping-Wettbewerb um die niedrigsten Löhne. Dem solle mit den neuen Regeln nun ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Vorgabe dabei sei, dass künftig für 80 Prozent der Beschäftigten in jedem Land der EU ein Tarifvertrag gelten soll. Das dürfte Arbeitsbedingungen für hunderttausende Beschäftigte allein in der Baubranche verbessern, glaubt Feiger. Auch das Ziel, die nationalen Mindestlöhne auf 60 Prozent des Medianlohns zu bringen, sei ein großer Schritt. Die Staaten müssten diese Regeln nun rasch in nationales Recht umwandeln. „Für Deutschland heißt das in erster Linie: Wir brauchen ein starkes bundesweites Tariftreuegesetz“, so Feiger. Öffentliche Aufträge und Fördergelder dürften nur an Unternehmen gehen, die nach Tarif zahlen. Es sei wichtig, dass die Ampel das Vorhaben auf den Weg bringt – wie es im Koalitionsvertrag vereinbart sei.
UN: Über 17.000 Pushbacks von Griechenland in die Türkei in nur einem Jahr
In Griechenland sind Pushbacks – illegale direkte Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen – „de facto die generelle Politik“ geworden. Das beklagte der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migrant_innen, Felipe González Morales. In seinem im Juli bei der Sitzung des UN-Menschenrechtsrates vorgestellten Bericht schreibt er von 540 entsprechenden Vorfällen, die die UN 2020 und 2021 registriert habe. Dabei seien mindestens 17.000 Menschen unter Gewaltandrohung oder -anwendung informell in die Türkei zurückgebracht worden. Er sei „besorgt über den signifikanten Anstieg der Zahl von Menschen, die daran gehindert würden, griechisches Territorium zu betreten“. Es handele sich um eine „explizite Strategie“ der Behörden. Griechenland habe allein zwischen April und November 2021 über 140.000 Menschen an der Einreise gehindert. Zudem habe die Regierung eine Erweiterung der Zaunanlage am türkisch-griechischen Grenzfluss Evros angekündigt. Ende Juni berichtete unter anderem der Spiegel, dass Griechenland bei den Pushbacks sogar Flüchtlinge einsetze, die Ankommende zurückdrängen sollen. Diesen werde als Gegenleistung ein Aufenthaltsrecht versprochen.
Bericht des UN-Sonderberichterstatters
Melilla: Gewerkschaften verurteilen Massaker an der EU-Außengrenze
Der spanische Gewerkschaftsverband Confederación Sindical de Comisiones Obreras (CSCO) hat den gewaltsamen Tod von 37 Migrant_innen am Grenzzaun der spanischen Enklave Melilla am 25. Juni auf das Schärfste verurteil. „Auf die dantesken Bilder von zusammengepferchten Leichen, polizeilichen Misshandlungen, Missachtung der Menschenwürde und Entmenschlichung muss sofort mit der Eindringlichkeit reagiert werden, die die Schwere der Tatsachen verdient”, heißt es in einer Erklärung des CSCO. Die große Zahl der Getöteten und die Bilder von hunderten von Menschen, die von der marokkanischen Polizei stundenlang zusammengepfercht, misshandelt und geschlagen wurden und keine medizinische Versorgung erhielten, versetzten in eine Zeit zurück, in der Rassismus die Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe entmenschlichte. Es sei inakzeptabel, dass Spaniens Präsident Sánchez als Reaktion den marokkanischen Behörden gratulierte. „Wir bekräftigen die Notwendigkeit einer Migrations- und Asylpolitik, die die Menschenrechte von Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zur Migration gezwungen sind oder um ihr Leben fliehen, in den Mittelpunkt stellt.”
Arbeitsbedingungen in der saisonalen Landwirtschaft fair gestalten: FES-Konferenz zu Erntehelfer_innen
Jährlich kommen etwa 275.000 Menschen, viele aus Südost- und Osteuropa, um vorübergehend auf Feldern und in Gewächshäusern in Deutschland zu arbeiten. Die zum Teil skandalösen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen waren in den letzten Jahren immer wieder Thema der Berichterstattung. Zu Beginn der Corona-Pandemie stand die Situation der Saisonarbeiter_innen besonders im Fokus. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat zusammen mit dem DGB, der IG BAU und dem Beratungsnetzwerk Faire Mobilität eine Fachkonferenz organisiert, um gemeinsam über die Probleme und Regelungsdefizite zu sprechen.
Entnommen aus Forum Migration August 2022