Keine Vorrangprüfung, keine Engpassberufe
Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten sollen in Zukunft zur Arbeitsplatzsuche für sechs Monate nach Deutschland kommen dürfen. Das sieht das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz der großen Koalition vor.
Voraussetzung ist, dass die Fachkraft über Deutsch- Kenntnisse verfügt, die „der angestrebten Tätigkeit entsprechen“ – es ist für diesen Aufenthaltstitel also nicht möglich, erst in Deutschland mit dem Sprachkurs zu beginnen. Dazu verspricht der Entwurf eine verstärkte Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache im Ausland. Wer für eine Ausbildung nach Deutschland kommt und seinen Ausbildungsplatz verliert, soll sechs Monate Zeit bekommen, um sich eine neue Lehrstelle zu suchen. Wer mit dem Jobsucher-Visum kommt, darf zunächst nur „Probearbeiten” ausüben, heißt es im Gesetzestext – und zwar höchstens 10 Stunden je Woche.Grundsätzlich soll das sechsmonatige Visum zur Arbeitsplatzsuche allen Berufsgruppen mit Ausbildung oder Studium offenstehen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann allerdings durch Rechtsverordnung Berufsgruppen bestimmen, in denen Fachkräften keine solche Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf. Die vorab diskutierte grundlegende Beschränkung auf Berufe mit Engpässen soll also entfallen. Auch die Vorrangprüfung, nach der Ausländer nur eingestellt werden dürfen, wenn kein deutscher Staatsangehöriger den Job machen kann, soll im Grundsatz verzichtet werden. Der ebenfalls lange diskutierte „Spurwechsel” – für den sich auch viele Gewerkschaften starkgemacht hatten (siehe FM 10/18) – für abgelehnte Asylbewerber_innen entfällt. Die SPD konnte sich in dieser Frage nicht gegen die CSU durchsetzen. Stattdessen wird eine so genannte „Beschäftigungsduldung“ eingeführt, die ausreisepflichtige Ausländer_innen beanspruchen können. Die Hürden dafür liegen allerdings sehr hoch: Die Betroffenen müssen ihren Lebensunterhalt selbst sichern und seit eineinhalb Jahren mit mindestens 35 Wochenstunden beschäftigt sein. Betroffene dürfen die Gründe, die eine Abschiebung verhindern, nicht selbst zu verantworten haben – ein Vorwurf, den Ausländerbehörden sehr leicht erheben können. Zudem muss die Identität zweifelsfrei geklärt sein.
Der DGB kritisiert eine „Flickschusterei“. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, der Entwurf sei „kurzsichtig und integrationsfeindlich“, weil es keinen sicheren Status für gut integrierte Geduldete in Sachen Ausbildung und Beschäftigung gebe. Der DGB kritisiert insbesondere die Ausrichtung der Regelungen ausschließlich am nationalen Wirtschaftsinteresse und dem Interesse von Unternehmen, offene Arbeitsstellen möglichst schnell mit Drittstaatsangehörigen besetzen zu können. Unglücklich sei auch die längere Bindung einer Aufenthaltserlaubnis an eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb von vier statt bislang drei Jahren, sowie das Erfordernis eines neuen aufenthaltsrechtlichen Verfahrens bei einem Arbeitgeberwechsel, heißt es in einer Stellungnahme des DGB. Auch der ersatzlose Verzicht auf eine individuelle Vorrangprüfung bei der Beschäftigung von qualifizierten und sonstigen Fachkräften ist aus Sicht des DGB problematisch.
Referentenentwurf: https://bit.ly/2Uvx8RO
Stellungnahme von Pro Asyl: https://bit.ly/2GiCeNY