Jetzt die Weichen stellen für ein Ende der globalen Sklaverei: Kommentar von Neha Misra
Kommentar von Neha Misra
Solidarity Center, Washington DC
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat kürzlich erschreckende Zahlen präsentiert: Es ist davon auszugehen, dass heute weltweit 25 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel sind und sklavenähnliche Zwangsarbeit leisten müssen. Davon finden sich 16 Millionen in Zwangsarbeit im Privatsektor, etwa auf dem Bau, als Hausangestellte oder in der Landwirtschaft. Geschätzte fünf Millionen Menschen arbeiten in Zwangsverhältnissen der sexuellen Ausbeutung. Viele von ihnen sind Wanderarbeiter_innen – sowohl dokumentiert als auch ohne Papiere. Was kann gegen diese moderne Sklaverei in der modernen Welt getan werden?
Im Jahr 2000 haben die Vereinten Nationen das so genannte Palermo-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere von Frauen und Kindern beschlossen. Heute, 18 Jahre später, haben wir ein tieferes Verständnis von Menschenhandel und Zwangsarbeit. Und es wurden durchaus Schritte unternommen, um diesen zu beseitigen.
Im Jahr 2018 ist ein Sklave nicht unbedingt eine Person in Ketten oder Fesseln. Moderne Sklaverei kann viel subtiler sein. Opfer von Menschenhandel arbeiten in Fabriken, die Güter produzieren, die nach Europa oder in die USA exportiert werden. Opfer von Menschenhandel ernten Gemüse und verarbeiten Lebensmittel, die auf unseren Tischen landen. Sie bauen Mineralien ab, aus denen Geräte hergestellt werden, die wir kaufen. Sie machen die Kleider und Schuhe, die wir tragen. Sie säubern die Häuser der Menschen und kümmern sich um die Jungen, Alten und Kranken. Sie werden nicht nur durch körperliche Gewalt gefügig gemacht, sondern auch durch Zwang, Furcht und Einschüchterung. In der heutigen Wirtschaft können Arbeiter_innen durch die Androhung von Abschiebung, Mangel an praktikablen Alternativen und vor allem auch Verschuldung versklavt werden.
Durch den Druck von Aktivist_innen, der Zivilgesellschaft, Konsument_innen, Opfern und auch einigen Regierungen fühlen sich einige Unternehmen heute gezwungen, in ihren Lieferketten gegen schwere Formen der Ausbeutung von Arbeitskräften vorzugehen. So haben einige multinationale Konzerne Richtlinien erlassen, um die Gebühren für die Einstellung oder Beschäftigung von Arbeiter_innen zu verhindern. Denn Anwerbegebühren für einen Arbeitsplatz schafft Anfälligkeit für Schuldknechtschaft – eine Form des Menschenhandels, die leider überall auf der Welt verbreitet ist.
Auch die Handelspolitik ist durchaus im Stande, Regierungen dazu zu zwingen, mehr gegen Zwangsarbeit in Lieferketten von Exportprodukten zu tun. Ein Beispiel dafür war zuletzt die Verwendung der "gelben" und "roten" Karten durch die Europäische Kommission. Dieses Instrument wurde etwa gegenüber Staaten angewandt, die nicht ausreichend gegen illegale, unregulierte Fischereiaktivitäten vorgingen. So konnte im vergangenen Jahr etwa Thailand dazu gebracht werden, stärker die Zwangsarbeit in der Produktion von Fisch und Meeresfrüchten einzudämmen.
Auch die ILO spielt beim Kampf gegen Zwangsarbeit eine wichtige Rolle. Kürzlich hat sie Grundsätze für die faire Anwerbung vorgelegt – ein erster Schritt in der dringend erforderlichen Regulierung der Arbeitsvermittlung.
Auch in gesetzgeberischer Hinsicht sehen wir einige Fortschritte. Ähnlich dem California Transparency in Supply Chains Act verlangt der britische Modern Slavery Act von 2015, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe jährlich eine öffentliche Erklärung zu den Maßnahmen abgeben, die sie gegen Zwangsarbeit in ihren Lieferketten ergreifen. Leider aber gibt es keine verbindlichen Berichtskriterien und keine Strafe für Verstöße. NGOs haben festgestellt, dass viel zu viele der bisherigen Erklärungen wenig mehr sind als PR-Maßnahmen.
Die vielleicht wichtigste Neuerung ist die jüngste französische Gesetzgebung, die, obwohl im Gesetzgebungsverfahren verwässert, großen Konzernen eine besondere menschenrechtliche Sorgfaltspflicht auferlegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Arbeitnehmer_innen das Gesetz wirksam anwenden und wirksame Rechtsmittel einlegen können.
In den nächsten Monaten verhandeln die Vereinten Nationen über den so genannten Global Compact über sichere, geordnete und reguläre Migration. Dabei handelt es sich um ein unverbindliches Instrument, das im Dezember 2018 in Marokko verabschiedet wird. Die globale Arbeiterbewegung appelliert an die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, diese Gelegenheit zu nutzen, um Schutzmaßnahmen für Wanderarbeiter in diesen globalen Pakt aufzunehmen. Es müssen jetzt, so lange noch Zeit ist, faire Regeln für die Arbeitsmigration entwickelt werden. Diese Gelegenheit muss genutzt werden, um endlich wegzukommen von ausbeuterischen temporären Migrationsprogrammen, die versuchen, Migration zu managen, ohne Schutz der Arbeitnehmer_innen zu gewährleisten. Ein solcher Paradigmenwechsel würde präventiv gegen Menschenhandel wirken.
Die deutsche Regierung ist eine der führenden Stimmen in den Verhandlungen über den UN Global Compact. Sie spricht häufig von Arbeitsmigration, die auf einem besseren Qualifikationsangebot und einer besseren Ausbildung der Arbeitnehmer_innen in den Herkunftsländern des globalen Südens beruht. Dies sind willkommene Initiativen. Die Regierungen müssen jedoch auch an bessere, sicherere Migrationsprozesse und Schutzmaßnahmen für Niedriglohnempfänger_innen denken.
Dieser Beitrag wurde der Publikation "Forum Migration März 2018" entnommen.