
Ja zum „Einwanderungsland”
Manch Erhofftes fehlt im Koalitionsvertrag, einiges hätte unter „Jamaika” auch nicht anders geklungen – aber vieles macht Mut nach den 16 Jahren der Unions-Starre. Nicht nur wegen des Bekenntnisses zum „modernen Einwanderungsland“ fielen die meisten Reaktionen auf die migrationspolitischen Vorhaben der neuen Ampel-Regierung eher optimistisch aus.
Das neue Regierungsbündnis mache „freie Fahrt für gesellschaftlichen Aufbruch“, befand etwa die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD). „Ob Partizipationsgesetz, Partizipationsrat, Demokratiefördergesetz, Mehrstaatigkeit oder Aufenthalts- und Bleiberecht“ – die Zivilgesellschaft werde „in ihrer ganzen Vielfalt ernst genommen“, sagte etwa der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu. Auffällig sei, dass sich die Art und Weise verändert habe, wie über Migration gesprochen wird, sagte der Osnabrücker Migrationshistoriker Jochen Oltmer. Sie werde „nicht mehr vorrangig als Sicherheitsgefahr dargestellt, auf die man mit Abwehrmaßnahmen reagieren müsse“. Die Göttinger Migrationsforscherin Sabine Hess sprach von einer „Rückkehr zu einem humanitären, von Menschenrechten geprägten Diskurs“. Im Koalitionsvertrag sind viele Verbesserungen für Migrant_innen und Schutzsuchende angekündigt, darunter eine staatliche Seenotrettungsmission. Viele von Ex-Innenminister Horst Seehofer (CSU) durchgedrückte Verschärfungen sollen aufgehoben werden, darunter die Unterbringung in so genannten Ankerzentren. Allerdings hängt die Wirkung der angekündigten Reformen meist stark von ihrer noch offenen rechtlichen Ausgestaltung ab. Im Sondierungspapier hatten die Ampel-Parteien etwa die Einführung des „Spurwechsels“ angekündigt – die Möglichkeit für abgelehnte Asylsuchende gemeint, einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit zu beantragen. Im Koalitionsvertrag findet sich der Begriff nicht wieder. Eine Reihe einzelner Regelungen sollen aber Geduldeten den Weg zur Erwerbstätigkeit oder Ausbildung eröffnen.
Lesen Sie hier Auswertungen des Koalitionsvertrages:
DGB
Heinrich-Böll-Stiftung
Mediendienst Integration
Pro Asyl
Migazin
Amnesty International
Gastkommentar
Entnommen aus Forum Migration Januar 2022