
Fleischindustrie: Grillwurst und Leiharbeit
Das neue Arbeitsschutzkontrollgesetz soll der Fleischindustrie ab dem 1. Januar 2021 Werkverträge und ab dem 1. April Leiharbeit verbieten. So hatte es das Bundeskabinett beschlossen. Doch die Union hatte die Abstimmung im Bundestag zunächst platzen lassen. Sie forderte massenhafte Ausnahmen von den neuen Regelungen – und bemühte dafür Argumente „wie frisch aus dem Handbuch der Fleischlobby”, so die NGG.
Formal drehte sich der Streit unter anderem um die Produktion von Grillwurst in der Sommersaison. Für solche „Auftragsspitzen“ müsse Leiharbeit weiter möglich bleiben, hieß es bei der Union. Sonst würden die Menschen billigere Wurst aus ausländischer Produktion kaufen. „Die Betriebe brauchen Beweglichkeit“, sagte der CSU-Abgeordnete Max Straubinger. „Wer dieser Branche immer noch Vertrauen schenkt, hat den Schuss nicht gehört“, sagte dazu Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der NGG. „Glaubt man den Äußerungen der Fleischbarone, dann dauert die Grillsaison von Januar bis Dezember.“ Tatsächlich ließen sich mögliche Produktionsspitzen – wie in allen anderen Branchen der Lebensmittelwirtschaft üblich – auch in der Fleischwirtschaft mit Arbeitszeitkonten und ähnlichen Modellen abfangen. Die NGG fürchtet, dass durch die Blockade der Union das Arbeitsschutzkontrollgesetz „weichgespült, durchwässert und zum zahnlosen Tiger“ werde. „Kaum sind die skandalösen Arbeitsbedingungen und die Masseninfektionen in der Fleischindustrie etwas aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, greift die Fleischindustrie-Lobby wieder an“, heißt es auch in einem offenen Brief von Migrationsforscher_innen und Gewerkschafter_innen. Auch die SPD ist sauer: „Wenn sich CDU und CSU weiter weigern, stellen sie den Profit der Fleischlobby über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und über die Verabredungen in der Koalition“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Abstimmung wurde erst einmal verschoben. Inzwischen hat sich die Koalition auf einen Kompromiss verständigt. Werkverträge und Leiharbeit bei der Schlachtung und Zerlegung in den Schlachthöfen sollen komplett verboten werden. Aber: Bei der Fleischverarbeitung soll es befristete und tariflich geregelte Ausnahmen für Leiharbeit geben.
Neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung „Ende der ,organisierten Verantwortungslosigkeit’?”: https://bit.ly/3fq9yAM
Stellungnahme der NGG: https://bit.ly/3fttoLh
Offener Brief von Akteur_innen aus Wissenschaft und Gewerkschaften: https://bit.ly/372FRlw
aus Forum Migration Dezember 2020