
EU-Offensive gegen Mittelmeer-Migration
Seit 2020 ist der Migrationspakt der EU blockiert. Das von der Kommission vorgeschlagene Regelwerk findet keine Zustimmung unter allen Mitgliedstaaten. Deshalb präsentierte die EU-Kommission jetzt einen „Aktionsplan” für „schnelle erste Schritte gegen illegale Migration”.
Die Kommission begründete dessen Notwendigkeit mit einem Anstieg der Ankünfte über die zentrale Mittelmeer-Route – also von Libyen/Tunesien nach Italien/Malta – um über 50 Prozent. Betrachtet man jedoch die Ankünfte im gesamten Mittelmeer, also inklusive der Ägäis und Marokko/Spanien, so stieg die Zahl der Ankünfte in diesem Jahr kaum an: 145.053 Menschen registrierte die UN bis zum 4. Dezember, gegenüber 137.665 im Vorjahr. So oder so: Nach dem Willen der Kommission sollen es weniger werden. Sie will deshalb die Zusammenarbeit mit Partnerländern beim „Grenz- und Migrationsmanagement” verbessern. Vor allem Tunesien, Ägypten und Libyen sollen Flüchtlinge und Migrant_innen noch stärker als bisher an der Abreise hindern. Bei der Rettung von Migrant_innen auf dem Mittelmeer soll ein „besser koordinierter Ansatz” her. Was das genau bedeutet, ließ die Kommission offen. Vor allem Italien will Gerettete möglichst nicht mehr an Land lassen und drängt darauf, dass Rettungsschiffe nach Einsätzen direkt in andere Länder weiterfahren. Auch deshalb will die Kommission den im Juni vereinbarten Solidaritätsmechanismus anwenden, um durch Umverteilung von Migrant_innen Druck von den Mittelmeer-Anrainerstaaten zu nehmen. Das Problem: Der von Deutschland mit ausgehandelte Mechanismus sieht die freiwillige Aufnahme von insgesamt etwa 12.500 Geretteten innerhalb eines Jahres vor. Die Frist endet schon im kommenden Juni, die Größenordnung wird Länder wie Italien kaum spürbar entlasten. Derweil scheiterte die EU-Kommission mit einem Vorschlag zur Verschärfung des Asylrechts: Die so genannte Instrumentalisierungsverordnung wurde von einer Reihe von Mitgliedsstaaten, angeführt von Deutschland, abgelehnt. Ihr Kerngedanke: Wenn Flüchtende benutzt werden, um einem EU-Staat zu schaden, sollte der sich nicht mehr an das Asylrecht halten müssen. Unter anderem sollte er mehrere Wochen bis zur Annahme von Asylanträgen warten und Migrant_innen fünf Monate ohne Asylverfahren inhaftieren dürfen. Der europäische Flüchtlingsrat hatte die Verordnung den „schlechtesten in einer Reihe von schlechten Gesetzesvorschlägen der Europäischen Kommission“ genannt.
Zur Lage auf dem Mittelmeer siehe den Kommentar
Zur Instrumentalisierungs-VO Interview mit Josephine Liebl von ECRE
Entnommen aus Forum Migration Januar 2023