
Die verseuchte Branche
Infektionen ohne Ende: Nur wenige Wochen nach den letzten Corona-Ausbrüchen in westdeutschen Fleischbetrieben infizierten sich Mitte Juni erneut über 1.550 Menschen in einem Schlachthof der Tönnies-Gruppe im Landkreis Gütersloh. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fiel nichts Besseres ein, als rumänischen und bulgarischen Arbeiter_innen die Schuld zu geben, weil diese „eingereist sind und da der Virus herkommt“. Einen Beleg gab es dafür nicht.
Der nordrhein-westfälische NGG-Chef Mohamed Boudih kritisierte die Äußerung Laschets scharf. „Die Aussage, die osteuropäischen Beschäftigten hätten das Virus nach Deutschland gebracht, diskriminiert jene Menschen, die unter skandalösen Umständen die Versorgung der Bevölkerung von NRW und Deutschland mit Fleisch sicherstellen“, sagte Boudih. „Im Lichte der aktuell völlig zu Recht geführten Debatte um Rassismus und Diskriminierung in Deutschland und der Welt sind diese Worte aus dem Mund eines Ministerpräsidenten schlicht beschämend und eine empörende Schuldumkehr“, so Boudih. „Diese Menschen ‚reisen‘ nicht ein – sie werden nach Deutschland gebracht, um hier unter schwersten, nicht selten menschenunwürdigen Bedingungen und zu schlechten Löhnen zu arbeiten.“ Tönnies habe das System als einer der ersten in der Branche eingeführt und setze es in allen seinen Schlachthöfen konsequent um, sagte Matthias Brümmer von der NGG.
Die Werkverträge führen dazu, dass Menschen ausgebeutet werden. Der NGG-Vizechef Freddy Adjan forderte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, „diesem kranken System“ müsse nun endlich ein Ende gemacht werden. Das beschlossene Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie müsse „ohne Abstriche im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt“ werden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dem RND, bei der Umsetzung des Arbeitsschutzprogramms in der Fleischwirtschaft werde er sich von lauten Lobbyinteressen nicht bremsen lassen: „Wir werden hier aufräumen und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen.“
Beratungsangebote von Faire Mobilität für Beschäftigte in der Fleischindustrie: https://bit.ly/2YerdEE
Ergebnisse der Überwachungsaktion „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“ https://bit.ly/2Yos5Xb