
Die Schulen öffnen
Der Bremerhavener GEW-ler Nick Strauss wurde einst als Lehrer in Großbritannien angeworben und musste trotzdem über zehn Jahre auf seine Anerkennung warten. Heute hilft er zugewanderten Lehrkräften beim Weg in den Schuldienst.
Lehrer_innenmangel ist im Stadtstaat Bremen nichts Neues. Als der 2005 besonders schlimm war, machte die Stadtverwaltung von Bremerhaven sich in Großbritannien auf die Suche. Sie inserierte in der Times Education Supplement. Nick Strauss, damals Lehrer an einer Sonderschule im Londoner Stadtteil Camden, war angetan. Er und seine deutsche Frau wollten nach Deutschland ziehen, damit ihre Kinder hier zur Schule gehen können. Bremerhavener Beamte kamen für Bewerbungsgespräche nach Großbritannien und stellten mehrere Kolleg_innen ein. Strauss war einer von ihnen. 2006 fing er an der heutigen Oberschule am Ernst-Reuter-Platz als Lehrer an. Anerkannt wurde seine Ausbildung erst elf Jahre später. „Da habe ich deutsche Tugenden wie Geduld gelernt“, sagt Strauss.
Dank einer Ausnahmeregelung konnte er in Deutschland in seinem Beruf arbeiten, obwohl die Anerkennung zunächst fehlte. Viele andere eingewanderte Lehrer_innen haben da größere Schwierigkeiten. Im Dezember 2018 organisierte Strauss deshalb mit dem DGB Bildungswerk eine Informationsveranstaltung. Es kamen über 50 ausgebildete Lehrkräfte, einige stammten aus anderen EU-Staaten wie Frankreich oder Großbritannien, andere aus Drittstaaten wie Russland, der Türkei oder Kasachstan, auch Geflüchtete aus Syrien oder dem Irak waren darunter. Alle wollten wissen, was sie tun müssen, um an einer deutschen Schule unterrichten zu dürfen.
„Bis zur Anerkennung ist es ein extrem langer Weg“, sagt Strauss. Es gehe schon mit dem Sprachnachweis los. Nötig ist das Niveau C1, doch in manchen kleinen Städten gebe es nicht einmal B2-Kurse. In Bremerhaven sei es gelungen, in Zusammenarbeit mit dem IQ Netzwerk und dem Schulamt einen C1-Kurs anzubieten, „aber das war der Einzige in der ganzen Stadt“. In Deutschland müssten Lehrkräfte zwei Fächer studieren. Viele andere Länder hingegen würden „nur als Einfachlehrer ausbilden“, sagt Strauss. Doch wer nur ein Fach vorweisen könne, für den sei hierzulande „grundsätzlich unmöglich, eine normale Anerkennung zu bekommen“. Strauss findet das vor allem deshalb absurd, weil im Schuldienst „sowieso alle auch fachfremd unterrichten müssen“.
Auch die unterschiedliche Länge der Ausbildungen – in Deutschland fünf Jahre plus Referendariat, in Großbritannien beispielsweise nur Bachelor plus einjährige Zusatzqualifikation – trägt dazu bei, dass etwa im Bundesland Bremen nicht einmal 30 Prozent aller Anträge anerkannt werden – trotz des Lehrkräftemangels.
„Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind nicht die Zauberlösung, aber ein gutes Bildungssystem würde eine deutlich bessere Repräsentation der ganzen Gesellschaft in der Lehrerschaft anstreben”, sagt Strauss. „Aber wenn man reihenweise geflüchtete Lehrer_innen davon ausschließt, ist das schwer zu erreichen.” Er sieht nicht ein, weshalb diese nicht etwa zunächst herkunftssprachlichen Unterricht geben und andere Kolleg_innen unterstützen können, und dabei berufsbegleitende Qualifikation erwerben.
Doch das ist bestenfalls Zukunftsmusik. Was konnte er also angesichts dieser Hürden den Lehrkräften bei seiner Informationsveranstaltung raten? „Wichtig ist, dass sie sich organisieren”, sagt Strauss. So sei es unter anderem leichter, darauf zu achten, dass das Prüfungsamt „nicht immer unterschiedliche Anforderungen stellt” und das ohnehin schwierige Anerkennungsverfahren so insgesamt wenigstens transparenter zu machen, sagt Strauss. Davon hätten alle etwas.