
Covid: Warum es Migrant_innen härter trifft
Dass Migrant_innen durch sozioökonomische Benachteiligung stärker von Covid-Erkrankungen betroffen sind (Forum Migration 04/21) hat sich schon länger abgezeichnet. Jetzt hat eine Wissenschaftlerin im Auftrag des Mediendienst Integration den Forschungsstand hierzu zusammengetragen. Ihr Fazit: berufliche Tätigkeit, geringes Einkommen sowie Wohnsituation vieler Migrant_innen erhöhen sowohl das Risiko für eine Infektion als auch für schwere Verläufe.
Unsichere Arbeitsverhältnisse oder Arbeitslosigkeit beeinflussten nachweislich die allgemeine Gesundheit und begünstigen Stress und Erkrankungen. In Großbritannien zeige eine Auswertung der Mitgliedsdaten des dortigen Gewerkschaftsbunds, dass Menschen in prekären und Zeitverträgen doppelt so häufig an Covid-19 sterben wie Menschen in gesicherten Vertragsverhältnissen, heißt es in der Analyse der Soziologin Alexandra Lewicki von der Universität Essex. Studien zeigten, dass Berufe, die in geschlossenen Räumen ausgeübt werden und zahlreiche Kontakte und direkte Berührungen erfordern, mit einem höheren Infektionsrisiko einhergehen. Auch die Dichte der Besiedlung erschwere in weniger gut situierten Gegenden das Abstandhalten und erhöhe die Anzahl sozialer Kontakte – und Migrant_innen seien öfter von solchen Lebens- und Arbeitsbedingungen betroffen.
Allerdings hätten sie nicht alle aus denselben Gründen höhere Krankheitsrisiken, so Lewicki. Die Kategorie „Migrationshintergrund“ beschreibe keine homogene Gruppe, sondern 21,2 Millionen Menschen mit unterschiedlichen Biografien. Darunter fallen zum Beispiel Rentner_innen, die einen Großteil ihres Erwerbslebens in Deutschland gewohnt und gearbeitet haben, in Deutschland geborene Erwerbstätige, Menschen, die angeworben wurden, um als Fachkräfte in der Pflege zu arbeiten, Saisonarbeitskräfte, die bei der Ernte aushelfen oder Geflüchtete mit oder ohne Aufenthaltsstatus. Menschen mit solch verschiedenen Biografien seien unterschiedlichen Risiken ausgesetzt.
Keine Daten legten nahe, dass Menschen mit Migrationshintergrund aus anderen als sozioökonomischen Gründen einem höheren Covid-Risiko ausgesetzt seien. „Ethnisch konnotierte Erklärungen, die vornehmlich individuelle Verhaltensentscheidungen in den Blick nehmen oder gar kulturell begründen, verstellen unseren Blick auf die eigentlichen Risiken – für Menschen mit sowie ohne Migrationsgeschichte”, schreibt Lewicki.
Studie Mediendienst Integration: https://bit.ly/3qwlw1n
Entnommen aus Forum Migration Juli 2021